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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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sie alles tun, was Purlimil von ihr verlangte. Wenn es nur Carl am Leben hielt!
    Sie spießte die Kakerlake auf die Spitze des dünnen Stocks.
    »Halt über Feuer«, befahl Purlimil. »Nein, nicht so nah! Darf nicht verbrennen.«
    Das Insekt hörte auf zu zappeln. Purlimil hielt eine kleine Holzschale unter die Kakerlake. Langsam löste sich ein Tropfen Flüssigkeit aus dem Bauchraum des Tieres und fiel in die Schale. Noch einer und noch einer.
    »Ist leer«, sagte Purlimil knapp. »Nächste aufspießen.«
    Sie wiederholten die Prozedur mit den beiden anderen Kakerlaken, und als sie fertig waren, hatte sich eine winzige Menge Flüssigkeit auf dem Boden der Schale gesammelt.
    »Jetzt wir müssen zu deine Mann. Schnell, schnell!«
    Benommen lief Emma neben Purlimil zu Birwains Hütte. Einige Kinder trieben sich noch davor herum, doch die Männer, die Carl getragen hatten, standen nun in respektvollem Abstand von der Hütte entfernt.
    Sie duckten sich und betraten das dämmerige Innere der Behausung. Emma zuckte zusammen, als sie Carl still und bleich auf dem Boden liegen sah, Birwain neben ihm kniend, die Hände des Schamanen lagen auf Carls linkem Fuß.
    »Ah, da kommt die Medizin«, sagte er und lächelte Emma beruhigend zu. »Setz dich zu ihm. Ich behandle währenddessen die Bisswunde.«
    Sie ließ sich neben Carl auf den Boden sinken und griff nach seiner Hand. Er wandte ihr langsam den Kopf zu, seine Finger schlossen sich um die ihren.
    »Es wird alles gut«, sagte sie und schluckte ihre Tränen herunter. »Du wirst sehen, Birwain heilt dich.«
    Carl versuchte sich an einem Lächeln, doch es gelang ihm nicht.
    Der Schamane strich die Flüssigkeit, die aus dem Bauchraum der Kakerlaken gekommen war, auf die Bissstelle an Carls Fuß.
    »Das betäubt die Schmerzen«, krächzte er. »Schon bald wird er dort, wo ich den Saft aufgetragen habe, nichts mehr spüren.«
    »Aber …« Emma konnte sich nicht mehr zurückhalten. »Wird er überleben, Birwain? Nur durch Kakerlakensaft kann man einen tödlichen Biss doch nicht heilen?« So sehr sie sich auch bemühte, nun strömten die Tränen aus ihren Augen.
    »Natürlich nicht. Wenn er von einer tödlich giftigen Schlange gebissen wurde, können wir ihn nicht retten.«
    Emma presste sich die Hand vor den Mund.
    »Aber ich glaube, dass es eine recht harmlose Schlange war«, fügte Birwain rasch hinzu. »Sonst hätte Carl jetzt schon starke Bauchschmerzen und Krämpfe, außerdem wäre er wahrscheinlich bewusstlos. Da er dich noch anschauen kann«, Birwain folgte lächelnd Carls Blick, »dürfen wir annehmen, dass er nur sehr wenig Gift abbekommen hat.«
    »Er wird also …«, flüsterte Emma.
    »Ja. Er wird überleben.«
    Sie schloss die Augen. Unaufhörlich liefen ihr Tränen über die Wangen, aber nun war es ihr egal. Carl würde nicht sterben! Vor Erleichterung wurde ihr fast schwindelig.
    Als sie die Augen wieder öffnete, fing sie Carls Blick auf. Sie beugte sich über ihn und küsste ihn zart auf den Mund.
    »Wenn du gedacht hast, dass ich dich gehen lasse, dann hast du dich geirrt«, sagte sie und schniefte.
    »Für diese Aussage und einen Kuss noch dazu hat sich der Biss doch schon gelohnt.« Carls Stimme war leise und schwach, doch seine Augen lächelten.
    »Wie konnte das nur passieren? Wenn du nun eine größere Dosis Gift abbekommen hättest … ach, Carl!«
    »Ich hatte meine Stiefel ausgezogen, um so zu jagen, wie es die Eingeborenen tun«, murmelte er zerknirscht. »Aber sie scheinen ein besseres Gespür für den Waldboden, für Tiere und Gefahr zu haben als ich.« Er grinste schief, obwohl das Sprechen ihn anzustrengen schien. »Während sie immer barfuß laufen und ihnen selten etwas zustößt, stöbere ich gleich beim ersten Mal eine Schlange auf. Pech, wenn man dann keine Stiefel anhat.«
    »Pech? Das war in höchstem Maße unvorsichtig!« Die Anspannung der letzten Stunde entlud sich in Zorn. »Wie konntest du nur deine eigenen Regeln so missachten? Wie oft hast du mir Vorsicht gepredigt? Dich kann man wirklich keine Minute allein lassen, Carl Scheerer!«
    »Dann musst du wohl von jetzt an immer bei mir bleiben«, sagte er, und der Ausdruck in seinem blassen Gesicht war ernst.
    »Carl braucht jetzt Ruhe«, mischte Birwain sich ein. »Geht hinaus, ich wache über ihn. Sobald die Medizin gewirkt hat, bringen wir ihn zu eurem Lager, Emma.«
    Sie drückte Carls Hand ein letztes Mal, dann folgte sie Purlimil, die die ganze Zeit über schweigend dabeigestanden

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