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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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eine Waffe trage ich heute zum ersten Mal.«
    »Du willst lernen, wie wir leben, oder?«, fragte Yileen. Als Carl nickte, sagte er bestimmt: »Dann du kommen mit. Sonst du lernen nichts.«
    »Da bleibt dir wohl nichts anderes übrig«, lächelte Emma.
    »Sieht ganz so aus«, grinste Carl zurück. »Aber was wirst du in der Zeit tun, während ich weg bin?«
    »Purlimil um sie kümmern«, sagte Yileen an Emmas Stelle. »Graben zusammen Wurzeln.«
    So fand Emma sich kurze Zeit später mit einem langen Grabstock bewaffnet neben Purlimil auf der Erde hockend wieder. Zwischen ihnen stand eine hölzerne Tragschale für die Früchte ihrer Arbeit: Wurzeln, Insekten und Würmer. Emma hoffte, dass sie eher auf Wurzeln stieß als auf Getier; die Vorstellung, sich windende Würmer mit den Fingern greifen zu müssen, fand sie doch recht abschreckend. Dass die Eingeborenen das Getier sogar aßen, erfüllte Emma nach wie vor mit Ekel.
    Sie bemühte sich, Purlimils Grabtechnik so gut wie möglich nachzumachen. Gerade zog die Eingeborene ihre erste Wurzel tief aus der Erde. Emma hingegen schabte immer noch an der Oberfläche des Bodens herum.
    »Gar nicht so leicht«, sagte sie. Es war ihr ein wenig peinlich, dass sie sich so ungeschickt anstellte.
    »Du üben. Dann bald besser«, sagte Purlimil unbekümmert.
    Einige Minuten lang arbeiteten sie schweigend weiter. Dann endlich fasste Emma sich ein Herz.
    »Gibt es eigentlich nur gute Geister, Purlimil?«
    Die junge Frau hielt im Graben inne. »Ich schon gewundert, dass du nicht nach Geistern fragst. Haben dich besucht und getröstet, sagt Birwain.«
    Emma schluckte. Sie fand Birwains Wissen, vorsichtig ausgedrückt, mysteriös. Aber vielleicht hatte der Alte auch nur geraten.
    »Das stimmt«, sagte sie vorsichtig.
    »Ich dir erklären. Es gibt Geister in Wirbelwinden, heißen Bulies. Können gut oder böse sein«, begann Purlimil. »Und gibt Wirrinuns, das sind … sind …« Offensichtlich fiel ihr das englische Wort nicht ein.
    »Auch Geister? Oder Zauberer?«, schlug Emma vor, doch Purlimil schüttelte den Kopf.
    »Hexen?«
    »Ja! Hexenmeister, Mann oder Frau. Ein Wirrinun ist Meister über seinen Mulli-Mulli. Mulli-Mullis von andere Menschen heißen Duwies.«
    »Aha«, machte Emma. Das war ja fast so kompliziert wie das uraustralische Verwandtschaftssystem.
    Purlimil lachte, als sie Emmas verwirrten Gesichtsausdruck sah.
    »Ist ganz einfach: Jeder Mensch mindestens drei Geister, den Jowie, den Traumgeist Duwie und den Schattengeist Mulluwil. Duwie wird zu Mulli-Mulli, wenn Mensch ihn beherrscht. Wenn nicht, kann Duwie in Träumen herumwandern, wie er Lust. Böse Träume, gute Träume – alles so, wie Duwie Lust. Aber wenn Duwie einem Mulli-Mulli von mächtigem Wirrinun begegnet, dann gefährlich! Traumgeister kämpfen auch, weißt du?«
    Emma verstand gar nichts mehr.
    »Ich glaube, das musst du mir noch ein paar Mal erklären«, sagte sie ehrlich.
    »Wenn du bei uns bleiben, dann du verstehst«, sagte Purlimil tröstend. »Nach Eukalyptusfeuer du entscheiden, ob du bleibst, sagt Birwain.«
    Nachdenklich fing Emma wieder an zu graben. Was meinte der alte Schamane nur immer damit, dass sie »bleiben« würde? Von dem Eukalyptusfeuer war er ja regelrecht besessen. Er schien sich sehr sicher zu sein, dass Emma diesem Feuer beiwohnen würde. Ob es ein Stammesritual war? Oder ein Fest?
    »Gehen alle Mitglieder deines Clans zum Eukalyptusfeuer?«, fragte sie Purlimil.
    »Aber nein.« Purlimil hielt eine fette weiße Made in die Höhe und sagte feierlich: »Nur du, Emma! Eukalyptusfeuer für dich ganz allein.«
    Gegen Mittag gingen sie mit der gefüllten Tragschale und einer weiteren Schale voller saftiger Beeren zu Purlimils und Yileens Hütte.
    »Yileen und Carl bald zurück von Jagd«, prophezeite Purlimil. »Wir zusammen essen, dann ich bringe dich zu Birwain. Du kannst ihm Kummer erzählen.«
    Ruckartig wandte Emma ihr den Kopf zu. Woher wusste die junge Frau, dass Emma den Entschluss gefasst hatte, sich Birwain zu offenbaren?
    »Du bist mir fast ein bisschen unheimlich, Purlimil«, sagte sie mit einem unsicheren Lachen.
    Gelassen schüttelte die andere den Kopf. »Ich nur weiß ein bisschen mehr als andere. Aus mein Herz. Das ist alles. Kein Geheimnis.«
    Emma konnte Purlimils Meinung nicht teilen: Sie fand Birwains Fähigkeiten und die seiner Enkelin sogar höchst geheimnisvoll. Doch sie sagte nichts. Vielleicht würde sie das alles umso besser verstehen, je länger sie bleiben

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