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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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immer noch ein Mensch war. Yileen musste sich irren; der Aberglaube der Schwarzen war eben doch sehr groß. Bestimmt würde Oskar nie mehr mit ihm zusammentreffen, und so bestand für Purlimils Mann auch keine Gefahr.
    Es würde alles gut werden.
    Während Emma neben Carl auf dem Boden saß und mit den Fingerspitzen sanft über seine Wange strich, bemühte sie sich tapfer, ihren eigenen Gedanken Glauben zu schenken.
    Ganz gelang es ihr nicht.

29
    A pril 1859
    I n den nächsten Wochen blieb Carl im Lager.
    Zwar ging es ihm, nachdem die betäubende Wirkung der Medizin nachgelassen hatte, wesentlich besser, das Gift hatte in seinem Körper offensichtlich keinen Schaden angerichtet, und er konnte sich glücklich schätzen, dass die Schlange eines der ungefährlicheren Exemplare gewesen war. Doch Carls Seele schien nicht so glimpflich davongekommen zu sein. Er war ernst und in sich gekehrt. Zu den Mahlzeiten gesellte er sich zu den anderen, danach zog er sich jedoch sofort wieder in sein Arbeitszimmer zurück. Den Forschern gegenüber gab er vor, noch Ruhe zu brauchen und deshalb nicht in den Regenwald zu gehen; zu Emma sagte er, dass er etwas mit sich selbst auszumachen hätte, und dafür bräuchte er Zeit.
    Sie ahnte, dass es dabei um Elizabeth ging. Hatte Carl nicht gesagt, dass ihr ein Unglück widerfahren war? Vielleicht hatte sein eigener Unfall eine alte Wunde aufgerissen.
    Emma war ratlos. Sie hätte Carl liebend gerne geholfen, doch sie wusste nicht, wie. Sie suchte ihn zwar beharrlich jeden Tag in seinem Arbeitszimmer auf, saß für eine halbe Stunde neben ihm und plauderte mit ihm über dieses und jenes. Aber ihre Gespräche blieben an der Oberfläche. Carl schien weder bereit zu sein, seinen Rückzugsort zu verlassen, noch wollte er Emma in seine Qual einweihen. Stattdessen wirkte er insgeheim erleichtert, wenn sie wieder ging und ihn seiner Einsamkeit überließ.
    Sie füllte die langen, leeren Stunden ohne ihn mit Zeichenarbeit aus. In den Regenwald wollte sie nicht gehen, nicht ohne ihn – denn sollte er doch einmal nach ihrem Beistand verlangen, wollte sie nicht abwesend sein. Müßig herumzusitzen allerdings kam nicht in Frage. Die Sorge um Carl trieb Emma zu sehr um. Wenn sie zu viel Freizeit hatte, machte sie sich bloß unaufhörlich Gedanken um ihn.
    Außerdem lauerte in einem Winkel ihres Herzens ständig der letzte entscheidende Teil ihrer Erinnerung darauf, sie zu überfallen. Da sie aber fest entschlossen war, bei der Bewältigung ihrer Schuld – sofern sie eine Schuld auf sich geladen hatte – die Hilfe des alten Schamanen in Anspruch zu nehmen, musste die Erinnerung noch ein wenig unter Verschluss gehalten werden. Erst musste Carl sich wieder fangen, dann mussten sie zusammen die Eingeborenen besuchen und ihnen noch einmal versichern, dass sie nicht auf Oskars und Pagels Seite standen. Erst dann konnte Emma sich daran machen, die letzte Tür zu ihrer Vergangenheit zu öffnen.
    Bis dahin musste sie sich ablenken, und da erschien ihr das Zeichnen als die sinnvollste Möglichkeit.
    Sie mied Oskar, so gut es ging. Er, Pagel und sogar Krüger hatten angefangen, über Carl zu tuscheln, und das blieb Emma natürlich nicht verborgen. Also hielt sie sich bald auch von den beiden anderen Forschern fern. Ihr Kontakt beschränkte sich auf die Mahlzeiten und – zumindest in Krügers Fall – auf höfliche Banalitäten, wenn sie sich zufällig auf dem Platz über den Weg liefen. Ansonsten verliefen Emmas Tage nun ebenso einsam wie Carls.
    Emma sehnte sich von ganzem Herzen ein Ende dieses Zustands herbei.
    Abends lieferte sie Oskar unaufgefordert die fertigen Zeichnungen ab, morgens brachte er ihr neue Tiere. Zeitweilig glich Emmas Zimmer einem wahren Gruselkabinett, wenn von überallher die toten Augen der Vögel, Beuteltiere und Reptilien auf sie starrten. Sie ignorierte, so gut es ging, den Schatten des Todes, der über ihrer Arbeit hing.
    Es war hoffentlich bald vorbei.
    Aber wenn sich nun alles geändert hat?, grübelte sie an einem regnerischen Tag.Wenn das alte Unglück Carl wieder so gegenwärtig ist, dass er sich entscheidet, das Risiko der Liebe niemals mehr einzugehen?
    Sie verbot sich, die bangen Gedanken weiterzuspinnen, und tauchte wieder in ihre Arbeit ein. Es half alles nichts – sie musste abwarten.
    Warten und hoffen.
    Es war merklich kühler geworden. Während zu Hause nun die Frühlingsblumen blühten, zog in Australien der Herbst ins Land.
    Diese Vorstellung stimmte Emma

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