Der Duft von Hibiskus
guthießen und dass ihre Vorwürfe ungerecht seien, aber das konnte mich nicht von meinem schlechten Gewissen befreien. Einem jungen Mädchen die Zukunft zu zerstören … Tja, wenig später hat sie dann doch einen Mann gefunden, der sie mitsamt ihrem steifen Arm geheiratet hat: einen älteren, nicht sehr vermögenden Rinderzüchter. Ich hoffe, sie ist glücklich mit ihm geworden.«
Es klang zweifelnd.
Eine ganze Weile schwiegen sie.
Schließlich fragte Emma: »Wie alt war Elizabeth damals?«
»Zwanzig. Was tut das zur Sache?«
»Nun, dann war sie alt genug, um die Konsequenzen ihrer Handlungen absehen zu können, meine ich.«
»Aber sie war eine junge Frau, und ich bin ein Mann.«
»Na und?«
»Emma bitte! Ich hätte für sie entscheiden müssen. Stattdessen habe ich ihr Leben ruiniert.«
»Ruiniert ist ein bisschen übertrieben, oder? Und wenn man es schon so sehen möchte: Findest du nicht, dass sie das selbst getan hat?«
»Nein. Ich hätte ihr Ansinnen ablehnen müssen. Eine Frau gehört nicht …«
»Ja, ja, eine Frau gehört nicht in den Busch«, sagte Emma ungeduldig, »ach, Carl, du siehst doch an mir, dass man es sich mit so einer Aussage zu einfach macht! Jede Frau ist anders, oder nicht?«
Er war noch nicht überzeugt. »Als Mann – und als Arzt – hatte ich aber die Verantwortung für sie.«
»Jeder erwachsene Mensch trägt die Verantwortung für sein Tun selbst«, sagte Emma bestimmt. »Als Arzt hast du das einzig Richtige getan: Du hast sie zurück nach Brisbane gebracht. Hast du etwa nicht, ohne zu zögern, deine Forschungsreise abgebrochen?«
»Doch, aber …« Ratlos verstummte er. Dann fing er an zu lachen. »Emma, du bringst es wirklich fertig, alles auf den Kopf zu stellen! Jahrelang war ich davon überzeugt, dass die Schuld ganz allein bei mir lag, weil Elizabeth als Frau eben nicht rational entscheiden konnte.«
Emma zog die Augenbrauen hoch.
»Oh, sieh mich bitte nicht so an! Ich gebe ja zu, seit ich dich kenne, weiß ich, dass auch Frauen …«
»… denken können?«
»Nein! Doch. Natürlich können sie denken. Aber was ich erst durch dich gelernt habe, ist, dass Frauen wie du … Wie soll ich es ausdrücken?« Nachdenklich betrachtete er sie. »Vielleicht so: Du musst zwar auch manchmal beschützt werden, zu anderen Zeiten aber bist du durchaus in der Lage, die Seiten zu wechseln.« Er lächelte. »Wenn ich an die Sturmnacht denke, in der du Orlando gerettet hast … oder an deine Hilfe bei der Zubereitung der Medizin gegen meinen Schlangenbiss … Was war das eigentlich für eine Flüssigkeit?«
Sie dachte an die röstenden Kakerlaken. »Das willst du nicht wirklich wissen.«
»Jedenfalls habe ich durch dich einiges gelernt. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob das alles für jede Frau gilt oder nur für dich.« Er stand auf, kam um den Tisch zu ihr und zog sie an den Händen zu sich hoch. »Du bist etwas ganz Besonderes, Emma. Eine wie dich werde ich kein zweites Mal finden. Und deshalb musste ich dir die Wahrheit sagen, denn du hast es nicht verdient, sie irgendwann einmal von einer Klatschbase in Brisbane oder Sydney zugeflüstert zu bekommen. Ich möchte nicht, dass du enttäuscht von mir bist.«
Sie schluckte, und schlagartig stand ihr wieder ihre eigene Vergangenheit vor Augen. Wenn Carl sich so mit Vorwürfen plagte, nur weil er Elizabeth mit in den Busch genommen und ihr vertraut hatte – was würde er dann zu ihrer Schuld sagen? Zu ihrem ehebrecherischen Verhältnis, zu ihrer Schwangerschaft, zu Tod und Verderben?
Er hob die Hand und spielte mit einer blonden Locke, die sich aus ihrem geflochtenen Zopf gelöst hatte.
Leise sagte er: »Wenn ich dich richtig verstehe, kannst du also mit meiner Vergangenheit leben?«
Sie nickte und dachte: Und du mit meiner? Könntest du das auch?
Erleichtert schloss er sie in die Arme.
»Dann ist alles gut«, murmelte er in ihr Haar. »Wenn du mich nur willst, werde ich mit allem fertig.«
»Auch mit einer neuerlichen Lüge?«, entfuhr es ihr gequält. Sie biss sich auf die Zunge, aber es war zu spät: Sie hatte es gesagt.
»Elizabeths Lüge und das, was daraus entstanden ist, haben mir eigentlich gereicht. Warum fragst du?«
Emma hätte sich ohrfeigen können, aber das nützte nun auch nichts mehr. Sollte sie versuchen, sich herauszureden? Sie hatte nun schon so lange geschwiegen … Kam es da auf ein paar weitere Tage an? Auf eine Lüge mehr oder weniger?
Eine Lüge nach der anderen, dachte sie niedergeschlagen. Hat
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