Der Duft von Hibiskus
melancholisch. Vielleicht war es aber auch einfach Carls Verschlossenheit, die ihr zu schaffen machte. Wie konnte sie fröhlich sein, wo doch der Mann, den sie liebte, sich völlig von ihr zurückgezogen hatte? Außerdem vermisste sie Purlimil. Die gelassene Heiterkeit der jungen Frau wäre genau das gewesen, was Emma jetzt gebraucht hätte. Aber Carl allein lassen – nein, das war ausgeschlossen.
Das Blatt wendete sich an einem nebeligen Morgen.
Sie saß gerade bei ihrer ersten Tasse Tee allein im Haupthaus, als Carl die Tür aufriss und entschlossenen Schrittes auf sie zukam.
»Hast du Zeit für mich?«, fragte er ohne Umschweife. »Ich möchte dir etwas erzählen.«
Die Überraschung verschlug ihr die Sprache. So nickte sie nur und beobachtete Carl, der sich ebenfalls einen Tee holte und sich ihr gegenüber an den Tisch setzte. Sein Blick war gerade, und sie ahnte, dass sein Ringen mit sich selbst an ein Ende gekommen war. Carl würde ihr hier und heute seine Schuld beichten, und es würde an ihr, Emma, liegen, was danach aus ihnen beiden werden würde.
»Ich dachte, ich kann alleine damit fertigwerden«, begann er, ohne zu zögern. »Aber ich habe mich geirrt. Es war alles in Ordnung, solange ich dich noch nicht kannte. Ich konnte akzeptieren, einen Fehler gemacht zu haben – einen verhängnisvollen Fehler – und dass ich damit würde leben müssen. Aber jetzt betrifft das alles nicht mehr nur mich, sondern auch dich, Emma. Weil du ein Recht darauf hast zu erfahren, was mit Elizabeth geschehen ist. Und du sollst es erfahren, bevor du dich an mich bindest.«
Sie griff nach seiner Hand.
»Mir ist wieder bewusst geworden, wie rasch alles vorbei sein kann, Emma, wie sterblich wir sind. Nach dem Schlangenbiss dachte ich, mein letztes Stündlein hätte geschlagen.« Er brach ab und starrte an ihr vorbei ins Leere. »Es ging alles so schnell, genau wie bei Elizabeth. Um ein Haar hätte sie ihr Leben verloren, von einer Sekunde auf die andere. Eine gesunde, blühende junge Frau. Nur weil ich so dumm war, sie mitzunehmen und nicht nachzufragen.«
»Was ist denn geschehen?«, fragte Emma sanft. Aus seinen Andeutungen wurde sie nicht schlau, doch sie war entschlossen, endlich die ganze Wahrheit zu erfahren.
Carl holte tief Luft. »Also gut. Von Anfang an. Wenn du sicher bist, dass du alles hören willst.«
Als sie nickte, begann er leise: »Ich habe Elizabeth bei den Dunnings kennen gelernt, bei denen sie zu jener Zeit auf Besuch war. Mr. Dunnings ist ein Freund ihres Vaters. Ich war noch nicht lange in Australien, war unbeschwert und voller Abenteuerlust, und sie war ein hübsches Mädchen, das ungeniert mit mir flirtete. Ich muss zugeben, ich ging darauf ein, ohne viel nachzudenken.« Er warf Emma einen unsicheren Blick zu. »Tut mir leid, aber das gehört zur Geschichte.«
»Schon gut«, sagte Emma gefasst.
Sichtlich verlegen fuhr er fort: »Ich habe das alles nicht ernst genommen, und das war mein erster Fehler. Denn Elizabeth war es durchaus ernst. Das merkte ich, als ich mich von ihr verabschiedete, um eine mehrtägige Forschungsreise zu unternehmen. Sie wollte unbedingt mitkommen, da sie es, wie sie sagte, keinen Tag ohne mich aushalten würde.« Er räusperte sich. »Meine Güte, das alles zu erzählen ist doch schwieriger, als ich dachte!«
»Falls du dir um mich Sorgen machst, ich halte das schon aus«, sagte Emma tapfer, obwohl sie im Geheimen schwer mit ihrer Eifersucht zu kämpfen hatte. »Erzähl einfach weiter.«
Er schenkte ihr ein dankbares Lächeln.
»Nun gut. Elizabeth wollte also mit mir in den Busch kommen, doch ich lehnte ab. Sie kam schließlich aus gutem Hause, hatte einen Ruf zu verlieren, und wir waren nicht verlobt. Wir kannten uns ja erst ein paar Tage. Ich fand sie anziehend, das schon, aber ob ich in sie verliebt war – darüber hatte ich noch nicht einmal nachgedacht. Tja, ihr gefiel meine Weigerung, sie mitzunehmen, überhaupt nicht. Offensichtlich war sie es gewöhnt, immer ihren Willen zu bekommen. Und so stand sie am Abreisetag plötzlich vor mir, mitsamt Gepäck für einige Tage und ihrer Zofe als Anstandsdame. Sie sagte, nun könne ich nichts mehr gegen ihre Begleitung einwenden. Die Zofe schütze ihren Ruf, und den Gefahren des Busches werde sie schon trotzen. Sie habe schon viele solche Reisen unternommen, mit ihrem Vater und auch allein mit ihren Brüdern. Strapazen sei sie also gewöhnt, ja, sie liebe sie sogar, sie sei praktisch damit aufgewachsen. Deshalb sei sie
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