Der Duft von Hibiskus
er sie nicht mehr lieben. Sie konnte also tun und lassen, was sie wollte. Würde sie eben bei den Eingeborenen leben oder in Brisbane die Böden reicher Haushalte schrubben. Egal. Alles wäre besser, als weiter für Oskar arbeiten zu müssen.
Ein Blick auf Yileen aber hielt sie zurück. Der Eingeborene stand mit schreckgeweiteten Augen neben ihr und sah tatsächlich so aus, als hörte er draußen vor der Hüttentür den Leibhaftigen sprechen.
Mühsam bezwang Emma ihre Wut und presste hervor: »Ich brauche noch zehn Minuten, Oskar. Geh bitte voraus, wir treffen uns dann im Zeichenzimmer.«
»Also in zehn Minuten. Aber keine Minute später«, entgegnete Oskar herrisch.
Sie hörte, wie er sich von der Hütte entfernte, und hoffte, dass er ohne Umweg ins Haupthaus ging. Leider zeigte das kleine Fenster ihrer Hütte in die andere Richtung, so dass sie ihm nicht nachsehen konnte. Als sie dennoch einigermaßen sicher war, dass Oskar außer Reichweite sein musste, sagte sie leise zu Yileen: »Lauf zurück zu eurem Lager. Sag Birwain, ich komme, sobald ich kann. Erst muss ich hier noch etwas klären.«
Yileen sah immer noch erschrocken aus, doch er schüttelte entschieden den Kopf.
»Ich nicht gehe ohne dich. Birwain gesagt, du musst kommen.«
»Herrgott, Yileen! Willst du, dass Oskar wiederkommt? Was wird er denken, wenn er dich und mich zusammen in meiner Hütte findet?«
Sie öffnete die Tür einen Spalt breit und spähte hinaus. Kein Oskar. Rasch griff sie nach Yileens Hand und zog ihn mit sich ins Freie.
»Ich verspreche dir, ich komme später, aber jetzt geh, sonst …«
»Wen haben wir denn da?«, fragte Oskar süffisant und trat hinter einem großen Eukalyptusbaum hervor. Lässig hob er das Gewehr, spannte den Lauf und richtete die Waffe auf Yileen.
»Schön stehen bleiben, mein Freund, sonst bin ich leider, leider gezwungen zu schießen.«
Emma und Yileen waren beide zusammengezuckt, nun starrten sie entsetzt auf Oskar, der mit erhobenem Gewehr auf sie zuschlenderte.
»Das macht natürlich mehr Spaß, als zu arbeiten, was, Emma? Ein Schäferstündchen mit einem schönen, starken Wilden. Aber was wundere ich mich eigentlich? Von dir war ja nichts anderes zu erwarten. Scheerer ist schließlich in Ipswich, da muss Ersatz her.«
Ohnmächtiger Zorn stieg in Emma auf. Gleichzeitig war sie wie gelähmt vor Angst um Yileen, denn Oskars Gewehrlauf zeigte nach wie vor auf den Eingeborenen.
»Lass den Unfug«, sagte sie zu Oskar. Ihre Stimme klang unnatürlich hoch. Bestimmt merkte er, wie schlecht sie ihre widerstreitenden Gefühle unter Kontrolle hatte, und das ärgerte sie nur noch mehr. »Ich erforsche Yileens Clan, die Heilkunde und …«
»… das Paarungsverhalten? Sehr engagiert, wirklich.«
Oskar lachte hässlich. Er hatte sie nun erreicht und tippte mit dem Gewehrlauf auf Yileens Brust.
»Weißt du, Emma, ich finde die Wilden ebenfalls spannend. Du kennst doch sicher die Debatte um die Grenze zwischen Mensch und Tier? Die Wilden stehen genau dazwischen, sie sind weder das eine noch das andere, und das macht sie so interessant für die Forschung.«
Ein kalter Schauer lief Emma über den Rücken. Deutete Oskar wirklich an, dass … Nein, so grausam konnte doch nicht einmal er sein.
»Die Skelette der Wilden sind wichtig für die Völkerkunde«, sagte Oskar im Plauderton. »Außerdem könnte Godeffroy die Köpfe in seinem Katalog anbieten. Ich bin sicher, sie wären das Glanzstück jeder privaten und wissenschaftlichen Sammlung.«
Er schaute Yileen in die Augen und setzte kalt hinzu: »Du solltest stolz sein, mein Freund, dass du der Erste bist, den ich auf die Reise nach Hamburg schicken werde. Wenn auch nicht lebendig.«
Yileen schloss die Augen und murmelte etwas. Emma erkannte mit Entsetzen, dass Yileen aufgab und sich auf den Tod vorbereitete. Sein übermächtiger Feind, der Geist, hatte ihn gefunden. Er würde ihn nicht mehr freigeben.
In ihrer Verzweiflung fragte sie Oskar: »Was kann ich tun, damit du Yileen verschonst?«
Oskar legte den Kopf schief. »Ach, plötzlich so brav? Aber das hilft dir nichts, meine Liebe. Dein Buschkönig ist nicht da, um zu verhindern, dass ich deinen schwarzen Liebhaber hier erschieße. Er wird die größte Trophäe meiner Forschungsreise sein, wird mir Geld und Ruhm einbringen. Was könntest du mir bieten, dass ich darauf verzichten sollte?«
Selbstvergessen zeichnete er mit dem Gewehrlauf kleine Kreise auf Yileens Brust.
In Emmas Kopf jagten sich die
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