Der Duft von Hibiskus
Gedanken. Yileen durfte nicht sterben, sie musste ihn retten, koste es, was es wolle! Birwain hatte den jungen Mann zu Emma geschickt, um ihr zu helfen, und er war trotz seiner Angst gekommen. Sollte sie schon wieder schuld daran sein, dass ein Mensch gewaltsam zu Tode kam? Zwei Tote in Stuttgart, ein weiterer Toter hier … Würde es denn nie aufhören? Würde sie für den Rest ihres Lebens Unglück über unschuldige Menschen bringen? Aber was um Himmels willen konnte sie tun, um Oskar umzustimmen?
Denk nach, Emma, denk nach, denk nach, denk nach! Was will Oskar, was ist ihm wichtig, wonach sehnt er sich?
Sie sah in sein Gesicht, und schlagartig wusste sie es. Wichtiger noch als Geld und Ruhm war es diesem Mann, Macht auszuüben, vor allem über die, die sich ihm beharrlich entzogen.
So wie sie.
Ekel und ein fast unbezwingbarer Widerwille überkamen Emma, als ihr klar wurde, dass sie selbst der Preis für Yileens Leben war.
»Nun, Emma?« Oskar lächelte. »Gibt es da etwas, das du mir anbieten könntest?«
»Ich könnte … vielleicht …« Sie rang mit sich, brachte es aber nicht über sich, es auszusprechen.
»Ich warte.«
Sie senkte den Kopf. »Wir wissen doch beide, was es ist.«
»Ich will es aber hören, dein nettes kleines Angebot«, sagte Oskar leise. »Aus deinem Mund. Jetzt.«
Wie im Traum schaute Emma zu Yileen. Er durfte nicht sterben, nicht hier und nicht heute. Sie durfte nicht jeden um sich herum ins Verderben ziehen. Wenn Emmas Würde der Preis für Yileens Leben war, dann musste sie das eben akzeptieren.
Langsam wandte sie sich wieder Oskar zu. »Du kannst mich haben«, sagte sie.
»Wie, dich haben?« Er schien es zu genießen, sie zu quälen. »Drück dich doch bitte etwas genauer aus.«
Emma schloss die Augen. Vielleicht ging es leichter, wenn sie sich dabei in sich selbst zurückzog.
»Du darfst mich … bezwingen. Ein Mal. Das ist es doch, was du von Anfang an wolltest.«
Die sich ausdehnende Stille veranlasste sie, die Augen wieder zu öffnen. Hatte sie sich geirrt? War nicht einmal das – dieses letzte, widerwärtige Angebot – genug?
Doch da sagte Oskar mit einem Lächeln: »Ich habe es dir prophezeit, erinnerst du dich? Eines Tages würdest du vor mir zu Kreuze kriechen. Dieser Tag ist nun da, Emma.« Er sah fast glücklich aus. »Gott sei gepriesen.«
Nein. Gott sei verflucht, wenn er das hier zulässt!, dachte Emma verzweifelt. Doch sie schwieg.
Es gab kein Zurück.
Sie stand zitternd in ihrem Zeichenzimmer, den Rücken gegen die Wand gepresst. Draußen bewachte Pagel mit geladenem Gewehr Yileen. Nachdem sie sich einig geworden waren, wie Oskar es ausgedrückt hatte, hatte er mit einem Schuss in die Luft Pagel und Krüger zu Hilfe gerufen. Nach einem Blick auf Krügers entsetzte Miene hatte er diesem abfällig beschieden, wieder gehen zu können, da man für die Aufgabe, die zu erledigen sei, einen echten Mann brauche. Pagel aber, ganz echter Mann, war geblieben.
Oskar hatte ihm erklärt, dass er eine Wache für den Wilden benötige, mit dem Emma sich vergnügt habe. Er wolle mit Emma in aller Ruhe über die Sache sprechen und dann entscheiden, wie weiter mit dem Wilden zu verfahren sei.
Dass er Emma vor Pagel bloßgestellt hatte, war nur eine weitere Gemeinheit gewesen, auf die es nun auch nicht mehr ankam, hatte sie müde gedacht. Pagel hatte sie kopfschüttelnd angesehen und die ehrenvolle Aufgabe, die Oskar ihm übertragen hatte, ohne Murren übernommen.
Als Oskar Emma ins Haupthaus geschubst hatte, hatte er leise gesagt: »Verzeih mir die kleine Vorsichtsmaßnahme, meine Liebe. Aber wenn ich deinen Liebhaber laufen lasse, überlegst du es dir vielleicht anders, sobald er in Sicherheit ist. Frauen sind ja so wankelmütig.«
Oskar hatte sie ins Zeichenzimmer dirigiert, und nun stand er so dicht vor ihr, dass sie seinen Atem riechen konnte. Sie drehte den Kopf weg und schloss die Augen.
»Nun, meine Liebe«, hörte sie ihn mit trügerisch weicher Stimme sagen, »was kann ich von dir erwarten? Sicher so einiges, hm? Erst Scheerer, dann der Wilde … und in Stuttgart warst du bestimmt auch keine Unschuld. Ja, ich bin sicher, du kennst alle Tricks, wie man einen Mann verrückt macht. Zeig sie mir, Emma, einen nach dem anderen. Egal, wie lange es dauert. Niemand wird uns stören; Scheerer ist ja in Ipswich.«
Sie spürte, wie er mit beiden Händen ihren Rock raffte. Dann strich er langsam ihren Oberschenkel entlang.
»Wir haben alle Zeit der Welt.«
Sie hielt
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