Der Duft von Hibiskus
denken, was passieren würde, wenn die Äste unter ihr zusammenkrachten! Wie weit war eigentlich der Bach entfernt? Nur für den Fall, dass sie ins Feuer fiele …
Der Angstschweiß brach ihr aus, als sie sich vorsichtig auf den Ästen niederließ.
»Leg dich hin«, sagte Birwain.
Sie schluckte, tat aber, wie ihr geheißen wurde. Wider Erwarten hielt die Konstruktion, sie wackelte nicht einmal! Einigermaßen beruhigt bettete Emma sich auf die Äste, und obwohl ihr kleine Zweige schmerzend in den Rücken pikten, flaute ihre Angst doch langsam ab. Ins Feuer fallen würde sie aller Voraussicht nach nicht.
Birwain griff nach der langen Feder an seinem Hüftgürtel, die Emma schon in der Hütte aufgefallen war, und begann, den duftenden Rauch um sie herum zu fächeln. Sie lag auf den Ästen und betrachtete ihn aus den Augenwinkeln. Er hatte die Augen leicht geschlossen und murmelte etwas vor sich hin, das sie nicht verstand – oder war es ein Lied?
Auf jeden Fall wirkte es einschläfernd, denn sie merkte, wie sie sich entspannte. Kurz kämpfte sie dagegen an; sie wollte die Kontrolle darüber behalten, was hier mit ihr geschah. Doch der Gesang war von solch fremdartiger Schönheit, der Qualm, der Emma umhüllte, von so narkotischem Duft, dass Widerstand zwecklos war. Ihre Augen tränten vom Rauch, und sie schloss sie mit einem Seufzer.
Nun denn.
Sollten Birwain und die Marmbeja mit ihr machen, was sie wollten.
War sie noch wach, oder träumte sie bereits? Sie dachte an Oskar und das, was er mit ihr gemacht hatte. Oskar, der es fast geschafft hatte, sie zu brechen. Seine Hände überall, ihre Schreie, die Erniedrigung, Oskar, Ludwig … Die Gesichter der beiden Männer vermischten sich, zogen sich wieder auseinander, flossen erneut zusammen. Sie hielt sich an Birwains Gesang fest, folgte ihm in den Himmel, und der Rauch des Eukalyptusfeuers trug sie durch Zeiten und über Meere hinweg, bis zur Tür ihrer Erinnerung, die nun sperrangelweit offen stand.
Hindurch …
… und dann war sie wieder im Klavierzimmer, den Geruch von Erbrochenem in der Nase, Ludwig vor ihr und zwischen ihnen wie eine dunkle Wolke die Erkenntnis, dass sie schwanger war.
»Ein Baby?«, presst Emma hervor. »Kann es nicht einen anderen Grund dafür geben, dass … es so lange her ist?«
Ludwig hört ihr gar nicht zu.
»Du darfst dieses Kind nicht behalten, Emma!«
Mit beiden Händen greift er an ihre Schultern und hält sie fest.
»Du musst es loswerden. Ich bin verheiratet! Und du – dich will auch keiner mehr, wenn du ein Kind hast.«
Als er ihren fassungslosen Blick sieht, fügt er hinzu: »Das ist dir doch wohl klar?«
»Du willst mich verlassen? In dieser Situation?« Emmas Stimme ist nur noch ein Hauch. »Du hältst nicht zu mir?«
»Komm mir doch nicht mit solch romantischem Unsinn.« Er wird wütend, fängt an, sie zu rütteln. »Wach auf, Emma. Wir hatten eine nette Zeit, aber ein Kind kommt nicht in Frage.«
»Ich kann es doch nicht … unser Kind, Ludwig …«
»Und wie du das kannst. Ich verspiele doch nicht meine gesellschaftliche Zukunft für deine sentimentalen Befindlichkeiten!«
In Emma stirbt etwas. Alles ist taub und kalt. Ist es ein Stück von ihr selbst? Oder der Rest ihrer Liebe zu Ludwig?
»Ich werde mich erkundigen«, sagt Ludwig nervös. »Morgen schicke ich dir eine Adresse, da gehst du hin und lässt es wegmachen.«
Zum ersten Mal sieht sie ihn, wie er wirklich ist. Fast muss sie lachen. Monatelang hat sie die Augen verschlossen, dabei war es doch die ganze Zeit über offensichtlich … Wie dumm sie war. Wie unsagbar dumm!
»Nein«, sagt sie.
Er starrt sie an. »Nein?«
»Nein«, wiederholt sie und schaut in seine Augen, die nicht länger Sehnsucht in ihr wachrufen, sondern nur noch Abscheu. Sie dreht sich um, verlässt das Zimmer und hastet die Treppe hinauf. Sie will ihn nicht mehr ansehen müssen.
Doch Ludwig folgt ihr, erwischt sie oben in ihrem Schlafzimmer und krallt sofort wieder seine Hände in ihre Schultern.
»Hast du Angst, es dir wegmachen zu lassen? Das fällt dir verdammt spät ein.« Er sieht wütend aus, als sei sie ganz allein schuld an dem Kind in ihrem Bauch. »Dann überleg dir eben was anderes! Fall die Treppe runter, geh reiten und stürz vom Pferd, mach irgendwas, damit du es verlierst! Aber – du – kannst – es – nicht – bekommen! Ist das klar?« Er fängt wieder an, sie zu rütteln, und wird laut. »Ob das klar ist, habe ich gefragt!«
»Lass mich los.« Sie
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