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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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die Augen fest geschlossen und kämpfte den Drang nieder, Oskar fortzustoßen und zu fliehen.
    Für Yileen, hämmerte es in ihrem Kopf. Ich tue das für Yileen. Mein Stolz gegen ein Menschenleben. Yileen soll nicht für mich sterben. Nicht denken, Emma. Wegfliegen. Mein Geist wird einfach wegfliegen …
    »Schau mich an«, forderte Oskar gebieterisch.
    Sie zwang sich zu gehorchen, und der letzte Funken Hoffnung, dass sie das Ganze ungebrochen überstehen würde, erstarb. Sie sah die Besessenheit in Oskars Blick, erkannte, wie berauscht er war von seinem späten Triumph; davon, dass er sie endlich vollkommen in seiner Gewalt hatte. Und ihr wurde klar, dass er ihr nichts, überhaupt nichts erlassen würde.
    Als habe er ihre Gedanken gelesen, flüsterte er ihr zu: »Ich will, dass dir von Anfang bis Ende bewusst ist, was du mit mir tust, Emma. Keine gedanklichen Fluchten, kein Wegdämmern, nicht einen einzigen, verdammten Augenblick lang. Du sollst dich dein ganzes Leben lang daran erinnern, dass ich dich bezwungen habe. Es wird dich nie mehr loslassen, verstehst du? Von jetzt an wirst du immer wissen«, seine Hände schlossen sich unter dem Rock schmerzhaft um ihr Gesäß, »wo dein Platz ist. Nämlich unten. Ganz unten.«
    Er küsste sie, als wollte er sie beißen, und stieß ihr brutal die Zunge in den Mund.
    Ich ertrage es nicht, dachte sie benommen, nicht das auch noch.
    Urplötzlich hatte sie das Gefühl, neben sich zu stehen. Das war gar nicht sie, der das alles passierte, das war eine andere. Sie, Emma, würde nie Oskars Zunge in ihrem Mund dulden, und schon gar nicht seine Hände, die jetzt überall waren, ihre Beine auseinanderdrückten, sie gierig befummelten, und sie, Emma, würde auch nie gehorchen, wenn er wie jetzt keuchen würde: »Schau mich an, während ich es tue, Emma, na los, schau mich an! Jetzt sind es nur meine Finger, die sich in dich graben, aber nachher, du wirst schon sehen …« Es war nicht sie, die den Schmerz fühlte, als sie mit dem Kopf an die Wand krachte und schrie, nicht sie, um die der Raum sich drehte und die anfing zu schwanken, es war die andere, denn sie, Emma, hatte sich doch aufgelöst, sie war gar nicht mehr da …
    Die Tür flog auf, und eine Stimme donnerte durch den Raum.
    »Lass sie los, oder ich bring dich um!«
    Die andere Emma registrierte, dass die Stimme zu Carl gehörte. Oskar ließ die Hände sinken, ihr Rock fiel zu Boden, sie holte krampfartig Luft. Es konnte nicht Carl sein, dachte die andere Emma, es gab doch keine Rettung. Aber es gab diese offene Tür, da hinter dem Mann, der wie Carl aussah, und es gab den freien Platz, der jetzt zwischen ihr und Oskar war, denn er war herumgewirbelt und stand nun ganz starr, schaute mit aufgerissenen Augen in den Gewehrlauf, der auf sein Gesicht gerichtet war, und sie musste nur bis zur Tür kommen, nur bis zur Tür …
    Blind stolperte sie durchs Zimmer, durch die Tür, aus dem Haus, über den Platz, an den letzten Hütten vorbei in Richtung Regenwald. Die wahre Emma schwebte über ihr, kam zögernd näher, umfing sie und tauchte schließlich in sie hinein, und als es geschah, fing sie gleichzeitig an zu schluchzen und zu rennen. Sie rannte, bis sie Yileen erkannte, der an der Stelle auf sie wartete, an der sie sich beim allerersten Mal getrennt hatten.
    »Nimm mich mit, Yileen«, flüsterte sie erstickt.
    »Dafür ich hier«, sagte er und griff nach ihrer Hand.

31
    D ie Eingeborenen hatten sie genötigt zu essen und zu trinken, und danach hatten sie Emma in eine leere Hütte gebracht, damit sie sich ausruhen konnte, bevor das Eukalyptusfeuer entzündet würde.
    Emma hatte alles über sich ergehen lassen. Sie fühlte sich wie aus der Zeit gefallen, willenlos und von einer Kälte erfüllt, die nichts mit der Temperatur draußen zu tun hatte. Als die Dämmerung sich über das Eingeborenenlager legte, wurde Emma bewusst, dass ihr die erste Nacht bei den Schwarzen bevorstand. So hatte sie sich diese Erfahrung allerdings nicht vorgestellt; sie hatte sich als neugierige Forscherin gesehen, nicht als unglückliche Frau. Aber war es von Bedeutung, was sie sich gewünscht hatte?
    War irgendetwas von Bedeutung?
    Birwain betrat die Hütte und musterte Emma besorgt. »Ich hoffe, ich habe Yileen nicht zu spät zu dir geschickt.«
    »Es ist für alles zu spät«, sagte Emma gleichgültig.
    Wenn ihr überhaupt noch etwas leidtat, dann höchstens der alte Schamane. Er schien so große Hoffnungen auf sein magisches Feuer zu setzen, dass

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