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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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sie sich gewiss. Es war ja niemand hier – nur die Baumgeister und die Kräfte der Himmelswesen, die Emma angeblich beschützten. Unwillkürlich flog ihr Blick zu dem schwarzen Umriss des Schildkrötensteins vor ihr.
    Dann erzählte sie weiter. Von ihrem Erwachen aus dem hohen Fieber, das der Fehlgeburt gefolgt war. Von ihrem Gedächtnisverlust. Von der Panik, als niemand ihr auf ihre Fragen antworten wollte: Wo war die Mutter? Warum kam Ludwig sie nicht besuchen? Warum war sie so krank?
    Keine Antworten. Und in ihr nur Schwärze.
    »Endlich vorbei«, sagte sie aufatmend zu den Marmbeja.
    Sie lehnte sich an den Holzpfahl und sah in die glühende Asche. Auch wenn die Ereignisse in Stuttgart schrecklich gewesen waren, fühlte sie sich doch, als sei ihr ein Felsbrocken vom Herzen gefallen. Sie war keine Mörderin! Ihre Mutter und auch Emmas Baby waren infolge des Unfalls und des Schocks gestorben. Wenn es einen Verantwortlichen für die Todesfälle gab, dann war es Ludwig. Emma hatte keine größere Schuld auf sich geladen als die, einer falschen Liebe nachgegeben zu haben. Das, so gestand sie den Baumgeistern ein, erleichterte sie über alle Maßen, auch wenn sie noch lange um ihre Mutter und um ihr ungeborenes Kind trauern würde.
    Aber jetzt? Wie ging es weiter?
    Zwar hatte sie endlich begonnen, ihre Vergangenheit zu bewältigen, doch es gab ja auch noch die Gegenwart. Und in der würde sie von nun an ohne Carl leben müssen.
    Emma seufzte tief.
    Dann fing sie wieder an zu sprechen.
    Sie erzählte den Geistern, wie sehr sie es bereute, dass sie Carl gegenüber nicht aufrichtig gewesen war. Sie hatte aus Not und Verzweiflung gehandelt, aber das würde er niemals verstehen. Zwar hatte Carl sie vor Oskar gerettet, aber hieß das auch, dass er ihr vergeben hatte? Keineswegs. Er hatte bestimmt nur seinem Gefühl für Anstand gehorcht, als er ihr geholfen hatte. Sie musste sich damit abfinden, dass sie ihn verloren hatte, ihn, den sie für den Rest ihres Lebens lieben würde. Einen anderen konnte es nach ihm nicht mehr geben, auch wenn das hieß, dass sie allein bleiben würde.
    Warum war er wohl zurückgekommen?
    Emmas Redefluss versiegte. Ob die Marmbeja die Antwort auf ihre Frage wussten? Nachdenklich schaute Emma hoch in das Blätterdickicht. Nein, es war unmöglich. Dass die Marmbeja ihr auch noch bei diesem Problem helfen sollten, war ganz sicher zu viel verlangt.
    Sie stellte die Frage wider jede Vernunft. »Ihr könnt es mir nicht sagen, oder? Dass Carl nicht fortgeblieben ist … hatte das etwas mit mir zu tun? Warum ist er zurückgekehrt, Marmbeja?«
    Sie verstummte. Wie albern sie war! Glaubte sie wirklich, Menschen und Geister konnten sich einfach so miteinander unterhalten?
    Nicht weit von ihr, am Rande der Lichtung, bewegte sich etwas zwischen den Bäumen. Aus der Dunkelheit löste sich ein großer Schatten, und Emma zuckte vor Schreck zusammen.
    Der Schatten kam näher.
    Großer Gott, ein Geist! Wo war bloß Birwain? Er hatte doch gesagt, an diesem heiligen Platz könne ihr nichts geschehen …
    Doch da sagte der Schatten mit rauer, sehr irdischer Stimme: »Warum Carl zurückgekehrt ist? Weil er erkannt hat, dass er ein selbstgerechter Dummkopf war.«
    Emma überlief es heiß und kalt zugleich. Um Himmels willen – das war er ! Hatte er etwa alles mitangehört? Ihre ganze elende Geschichte, die kein menschliches Ohr je hätte vernehmen sollen? Und ihre Liebeserklärung?
    »Er hätte nicht so hart über sie urteilen dürfen. Er hat sein Pferd gewendet und ist geritten wie der Teufel, um ihr zu versichern, dass es ihm leidtut und dass er ihr vertraut.«
    Emma versuchte fieberhaft, sich einen Reim auf Carls Anwesenheit zu machen, während er auf sie zukam. Er musste ihr in den Regenwald gefolgt sein, nachdem er Oskar gestellt hatte, und dann hatte Birwain … oh, der Verräter! Birwain musste Carl erlaubt haben, Emma von Anfang bis Ende zu belauschen. Von wegen, die Geister seien böse, wenn sie Emmas Geschichte nicht hören durften. Nur für Carl hatte Emma das alles rekapituliert! Deshalb hatte Birwain sie auch ermahnt, laut zu sprechen. Geister hatten zwar keine Ohren, aber Menschen durchaus.
    Vor Entrüstung blieb Emma die Luft weg. Der ganze Mumpitz war nur ein Vorwand gewesen, damit Carl die volle Wahrheit erfuhr, aus ihrem eigenen Munde.
    Carls Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
    »Er dachte sich, dass Emma wohl ihre Gründe gehabt haben musste, ihn zu belügen. Und er hat beschlossen, ihr

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