Der Duft von Hibiskus
schwer mit Proviant beladen war, unter anderem mit Mehl, Zucker, Tee und Limonensaft. Oskar hatte noch kurz vor ihrem Aufbruch bemängelt, dass Pökelfleisch und Trockenfrüchte fehlten, doch Scheerer hatte ihnen erklärt, die Pferde nicht unnötig belasten zu wollen.
»Fleisch können wir uns selbst schießen. Und frische Früchte werden wir überall finden«, hatte er gesagt.
»Auch essbare?«, hatte Oskar spöttisch gemurmelt. Er war sichtlich verstimmt gewesen, dass Carl Scheerer ihm keinerlei Mitspracherecht eingeräumt hatte.
Doch mittlerweile hatte Oskar seine gute Laune wiedergefunden und pfiff ein fröhliches Lied. Emma bewunderte ihn im Stillen dafür, wie er bei geschätzten vierzig Grad Hitze nicht nur laufen, sondern auch noch pfeifen konnte. Auch Scheerer, Pagel und Krüger schien die Temperatur nicht viel anhaben zu können; sie unterhielten sich miteinander und wiesen sich gegenseitig auf Vögel oder prächtige Exemplare des Eukalyptusbaumes hin. Und das, obwohl sie nicht nur ihre Pferde führten, sondern zusätzlich die Lastochsen vor sich her trieben!
Die Ochsen trugen eigens für sie angepasste Packsättel, in denen sich Munition, Gewehre, Feldkessel, gegen die Feuchtigkeit geölte Decken, Mäntel und Wechselkleidung für Emma und die Forscher verbargen. Auch das Material für die wissenschaftlichen Forschungen wurde dem Rücken der Ochsen anvertraut: kleine Flaschen mit Branntwein zum Konservieren von Insekten. Pappendeckel, Löschpapier und lederne Pressen zum Trocknen der Pflanzen. Vergrößerungsgläser für die Untersuchung feiner Blütenteile. Packpapier, Wachsleinwand und Schnüre zur Verpackung der Sammlungen …
Emma waren die Augen übergegangen, als sie einen Blick in die prallen Taschen hatte werfen dürfen. Oskar hatte Recht, Carl Scheerers Expedition war gut ausgestattet!
Die Ausrüstung für Emmas Zeichnungen nahm sich dagegen bescheiden aus. Sie bestand vor allem aus Bleistiften, einem kleinen Messer zum Spitzen, Feder, Tusche, Papierbögen und einigen Büchern.
Geplant war, an diesem und dem nächsten Tag möglichst weit ins Inland vorzudringen und dann mehrere Tage lang an einem Ort zu bleiben. Erst wenn die Forscher genügend Pflanzen gesammelt und Tiere erlegt hätten, würden sie das Lager abbrechen und weiterwandern, vormittags zu Fuß, nachmittags zu Pferd, so lange, bis Fauna und Flora ihnen Neues bieten würden. Nach vier bis acht Wochen – je nachdem, wie reich die Ausbeute sein würde – wollten sie nach Brisbane zurückkehren.
Der erste Tag bestand also nur aus einem: laufen, laufen, laufen.
Anfangs unterhielt Oskar seine Assistentin, indem er ihr von sich und seiner Karriere erzählte. Wie es schien, verdankte er seinen Stand als angesehener Forscher ganz allein sich selbst. Sein Vater war Gärtner gewesen und hatte Oskar kein Studium ermöglichen können.
»Aber ich war ehrgeizig und begabt genug, um ein Stipendium für die Pépinière zu bekommen«, sagte Oskar mit grimmigem Stolz.
»Die Pépinière? Was ist das denn?«, fragte Emma neugierig.
»Eine Chirurgenschule in Berlin, die Militärärzte ausbildet«, erklärte er. »Ich habe dort vier Jahre lang studiert, musste mich aber als Ausgleich für das Stipendium für acht Jahre dienstverpflichten.«
»Dann hast du als Militärarzt gearbeitet, bevor du Forscher wurdest?«
»So ist es.« Oskar strich sich den Schnurrbart. »War eine harte Zeit. Ich war froh, als sie vorbei war und ich als normaler Arzt wirken konnte.«
»Und wie hat es dich dann von Berlin hierher verschlagen?«
»Tja, mein liebes Kind, ich habe sehr bald gemerkt, dass ich für Höheres berufen bin. Ich wollte nicht in einer armseligen Praxis versauern; ich wollte gutes Geld verdienen. Deshalb bin ich in Godeffroys Dienste getreten.«
»Und ich in deine«, sagte Emma nachdenklich. »Du bietest mir das, was Godeffroy dir bietet: von zu Hause wegzugehen. Und Geld zum Leben.«
»Ja, es ist angenehm, dass Godeffroy so gut zahlt. Ist doch eine feine Sache, dass ich mir nicht nur eine erstklassige Ausrüstung, sondern obendrein eine hübsche kleine Assistentin leisten kann.« Er zwinkerte ihr zu.
Das Zwinkern gefiel ihr nicht, und auch seine Worte lösten Ablehnung in ihr aus. Er redete, als habe er sie gekauft, nicht angestellt. Aber nein, beruhigte sie sich, bestimmt meinte er es gar nicht so. Sie war nur zu empfindlich.
Ablenkend fragte sie: »Wie hast du eigentlich meinen Vater kennen gelernt?«
»Das hat er dir nicht
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