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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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gesagt?«
    Sie mied seinen Blick. »Es stand zwischen uns nicht zum Besten, als ich mich dazu entschloss, nach Australien zu gehen.«
    »Verstehe«, sagte er, obwohl das kaum der Fall sein konnte. »Nun, dann will ich es dir erzählen. Wir haben uns auf einem Kongress kennen gelernt und waren uns gleich sympathisch. Dein Vater ist zwar nur Apotheker, aber er verfügt über ein so außerordentlich breites Wissen über Heilpflanzen, dass sich manch ein Arzt eine Scheibe davon abschneiden könnte. Das hat mich beeindruckt.«
    Erinnerungen stiegen in Emma hoch. Ihr Vater mit vor Aufregung glänzenden Augen, wenn er ihr eine seltene Heilpflanze überreicht hatte, die sie abzeichnen sollte. Die gemeinsame Arbeit an seinem Herbarium. Der nachsichtige Tadel im Blick der Mutter, wenn Emma und Herr Röslin zu spät zu Tisch kamen, weil unbedingt noch einige Blüten gepresst werden mussten.
    Emmas Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Vater und Mutter waren so unendlich weit weg, so unerreichbar, und das vielleicht für immer.
    Gott, wie sie ihre Eltern vermisste!
    Als Emma mit sechzehn Jahren die private Töchterschule verlassen hatte, war sie zumindest äußerlich kein Wildfang mehr gewesen. Sie hatte sich zu einer schönen jungen Frau entwickelt, die Freude an hübschen Kleidern hatte – und zahlreiche Verehrer. Doch Emma dachte nicht ans Heiraten. Sie war gerade erst der Schule entkommen, da sollte sie sogleich ein neues Gefängnis betreten, und das freiwillig? Nein.
    In den letzten Schulmonaten hatte Emma sich oft überlegt, was sie daheim anfangen sollte. Für Sophie, die dieselbe Schule besuchte wie Emma, war das keine Frage gewesen: Sie wollte in der Gesellschaft glänzen und so rasch wie möglich eine gute Partie machen. Doch Emma drängte es nicht nach Soireen und Theaterbesuchen. Sie zog es vor, den freien Himmel über sich zu haben, und so stattete sie lieber dem Gemüsegarten einen Besuch ab – wenn sie auch keine Tulpen mehr ausrupfte – oder ging mit Frau Röslin und der Köchin auf den Markt. Dort boten Metzger ihre Würste und Kutteln feil, die Bäcker verkauften duftendes Brot und die Gärtnermeister Blattpflanzen und rotwangige Äpfel. Emma und ihre Mutter schlenderten untergehakt von Stand zu Stand, und die Köchin watschelte mit dem schweren Korb hinterdrein.
    Frau Röslin war nun eine Frau von Mitte dreißig, doch wenn sie mit Emma plaudernd und lachend über den Marktplatz ging, wirkte sie fast selbst wie ein junges Mädchen. Emma bemerkte die interessierten Blicke, die die Männer nicht nur ihr selbst, sondern auch der Mutter zuwarfen. Einmal ertappte sie die Mutter sogar dabei, wie diese einem fremden Herrn ein Lächeln schenkte.
    Ihre Mutter? Kokett?!
    Emma war schockiert und begann, die Eltern genauer zu beobachten. Wie gingen sie miteinander um? Wie war es, verheiratet zu sein? Sie hatte ihre Eltern nie als Mann und Frau wahrgenommen. Nun aber betrachtete sie die Mutter, als sei diese eine Fremde, und erkannte, dass Frau Röslin immer noch eine blühende Schönheit war. Warum war Emma das bisher bloß nie aufgefallen? Und warum fiel es Herrn Röslin nicht mehr auf?
    Während Sophie ihrer Freundin aufgeregt von den potentiellen Heiratskandidaten erzählte, die ihr – wollte man ihr Glauben schenken – tagtäglich vorgestellt wurden, fielen Emmas Gedanken über die Ehe wesentlich düsterer aus. Hatte sie bisher geglaubt, zwischen ihren Eltern herrsche nichts als Harmonie, belehrten sie ihre Beobachtungen nun eines Besseren. Sie sah den traurigen Blick, den Frau Röslin ihrem Mann manchmal zuwarf. Herr Röslin hingegen beachtete seine Frau kaum. Er ging völlig in seiner Arbeit als Apotheker auf, und wenn er Anwandlungen von Zärtlichkeit hatte, strich er eher Emma über den Kopf, als seine Frau zu berühren. Nein, folgerte Emma, für Zärtlichkeit gab es in der Ehe offensichtlich keinen Platz. Die Ehe bot der Frau einen sicheren Hafen. Das war alles. Natürlich war sie von Gott eingerichtet worden, um das Fortbestehen der Menschheit zu sichern, wie sonst sollten Männer und Frauen zu Kindern kommen? Verheiratet zu sein hatte also durchaus seinen Sinn – nur eben nicht den, den Hunger nach Liebe zu stillen.
    Emma fand diese Schlussfolgerungen deprimierend. Mit acht Jahren hatte sie vage geahnt, dass ihr das Leben als artiges Mädchen zu langweilig sein würde; mit sechzehn ahnte sie, dass ein Leben wie das ihrer Mutter sie erdrücken musste.
    Sie beschloss, den Gedanken an Ehe und Mutterschaft so

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