Der Duft von Hibiskus
die trüben Gedanken ab.
Edward Dunnings hieß Carl und Emma ebenso herzlich willkommen wie zuvor seine Frau. Er schien eine wahre Frohnatur zu sein, schüttelte Emma begeistert die Hand und beglückwünschte Carl dazu, dass man ihn »endlich wieder mit einer jungen Dame zu Gesicht bekomme«, was Emma die Röte ins Gesicht trieb und Carl zusammenzucken ließ.
Hastig sagte er: »Fräulein Röslin ist nicht, ich meine, sie ist ver …«
»Verdammt hübsch, ganz meine Meinung«, unterbrach Mr. Dunnings ihn lachend. Dann stieß er den Finger in die Luft, seine Augen blitzten. »Ich weiß genau das Richtige für euch Turteltäubchen. Kommt mit, na los, kommt!«
Emma und Carl blieb nichts anderes übrig, als Mr. Dunnings zu folgen, wobei sie es sorgfältig vermieden, einander anzusehen.
Carls Freund schob sie in einen Nebenraum, in dem sich deutlich weniger Menschen aufhielten. Dafür stand hier ein Klavier, und eine Dame und ein Herr machten sich gerade für ein weiteres Lied bereit.
Mr. Dunnings drückte Emma und Carl auf zwei Stühle und raunte ihnen zu: »Viel Vergnügen, wir sehen uns dann später!« Damit ließ er sie allein, nicht ohne ihnen noch einen gerührten Blick zuzuwerfen.
Verlegen sagte Carl: »Edward denkt wohl, dass du und ich, ähm, nun, dass wir … ein Paar sind.« Er räusperte sich. »Ich werde das aufklären, sobald wir Edward wieder zu Gesicht bekommen.«
Emma nickte nur.
»Schließlich bist du immer noch mit Oskar verlobt, nicht wahr?« Carl suchte ihren Blick. »Daran hat sich doch nichts geändert?«
Sie schluckte und suchte vergeblich nach Worten. Tief in ihr begann sich ein Gefühl zu regen, das sich zu einem instinktiven Wissen verdichtete.
»Liebst du ihn?«, fragte Carl leise.
Sein Blick hielt sie gefangen, und in Emmas Kopf jagten sich die Gedanken. Sie hatte Ludwig ewige Treue geschworen, sie hatte sich schuldig gemacht, sie hatte romantischen Gefühlen für den Rest ihres Lebens entsagt. Aber, verflixt noch mal … ja. Ja! Zwecklos, es zu leugnen: Sie war in Carl verliebt.
Das war die wahre Liebe.
Sacht schwebten die ersten Töne von Schuberts »Ständchen« durch den Raum. Emma erkannte es sofort, sie hatte das Lied oft genug selbst gespielt und gesungen. Doch noch nie, so schien es ihr jetzt, waren Klänge und Worte bis ins Innerste ihres Herzens vorgedrungen.
Leise flehen meine Lieder
Durch die Nacht zu dir;
In den stillen Hain hernieder,
Liebchen, komm zu mir!
Carl sah Emma immer noch in die Augen und bat stumm um eine Antwort. Nervös strich er sich eine schwarze Locke aus der Stirn. Sie wollte etwas sagen, wollte ihm endlich die Wahrheit gestehen, doch das schlechte Gewissen schnürte ihr den Hals zu.
Ich bin es nicht wert, dass er mich liebt!, schoss es ihr durch den Kopf. Ich habe ihn belogen, und dafür wird er mich verachten.
Flüsternd schlanke Wipfel rauschen
In des Mondes Licht,
Des Verräters feindlich Lauschen
Fürchte, Holde, nicht!
Oskar ist nicht hier, wir sind allein, dachte sie, und wenn ich es einfach wage? Wenn ich ihm sage, dass ich aus Not gelogen habe? Dass ich frei bin? Vielleicht verzeiht er mir ja doch?
Lass auch dir die Brust bewegen,
Liebchen, höre mich,
Bebend harr’ ich dir entgegen!
Sag es ihm! Sag es ihm! Sag es ihm!
Komm, beglücke mich!
Komm, beglücke mich!
Er kennt mich nicht! Er täuscht sich in mir! Er wird mich hassen!
Hörst die Nachtigallen schlagen?
Ach, sie flehen dich,
Mit der Töne süßen Klagen
Flehen sie für mich.
Carl riss seinen Blick von Emma los, atmete tief durch und sagte leise: »Du hast Recht zu schweigen. Ich hätte nicht fragen dürfen. Natürlich bist du noch verlobt.«
Nein! In Emmas Innerem tobte ein erbitterter Kampf. Darf ich dir denn erlauben, mich zu lieben?, dachte sie verzweifelt. Ach Carl, ich habe mich genauso benommen, wie du es so sehr verachtest, und schlimmer, viel schlimmer. Ich habe nicht nur eine fremde Ehe gebrochen. Vielleicht habe ich meinen Liebhaber sogar getötet! Denn jemand ist gestorben, das weiß ich.
»Es wird nicht wieder vorkommen«, sagte Carl, den Blick fest auf den Sänger gerichtet.
Sie verstehn des Busens Sehnen,
Kennen Liebesschmerz,
Rühren mit den Silbertönen
Jedes weiche Herz.
Haben Sünderinnen weiche Herzen?, dachte Emma fiebrig. Ehebrecherinnen? Mörderinnen? Blut an meinen Händen …
Süß verwehten die Klänge im Raum, machten einer kurzen Stille Platz, dann fingen die zuhörenden Gäste begeistert an zu klatschen.
Carl erhob sich
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