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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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abrupt. »Sehr hübsch. Doch nun lass uns deinen Verlobten suchen. Er wird sich wundern, wo du abgeblieben bist.«
    Aus. Vorbei. Die Chance war vertan.
    Langsam stand Emma auf und folgte Carl zurück in den Trubel des Festes. Die Feierlaune war ihr gründlich vergangen.
    Sie fanden Oskar am Spieltisch, wo er neben einer hübschen jungen Frau saß und ihr etwas ins Ohr flüsterte, das offenbar ebenso unterhaltsam wie anzüglich war, denn sie lachte perlend und drohte ihm scherzhaft mit dem Finger. Als er Carl und Emma erblickte, stand er schwankend auf.
    »Ah, meine Süße! Du warst aber lange weg. Ich habe mich mit einer anderen getröstet, nicht wahr, mein englisches Häslein?«
    Das englische Häslein stand auf, warf Emma einen bösen Blick zu und setzte sich demonstrativ ans andere Ende des Spieltisches.
    Oskar lachte.
    »So leicht beleidigt, die Engländerinnen. Da ist mein deutsches Mädel anders, was?«
    Er kam auf Emma zu und griff nach ihrer Hand. Sie schaute unwillkürlich zu Carl, der stocksteif neben ihr stand. Oskar folgte ihrem Blick, und seine Augen verengten sich.
    »Wo wart ihr zwei denn eigentlich?«, fragte er.
    Emma entwand ihm ihre Hand und wich einen Schritt zurück. Seinem Benehmen und Atem nach zu urteilen, hatte Oskar dem Champagner bereits ausgiebig zugesprochen. Ein betrunkener, eifersüchtiger Oskar aber war mehr, als Emma in diesem Moment ertragen konnte.
    »Unser Gastgeber hat uns ins Klavierzimmer geführt, wo wir in den Genuss eines Ständchens kamen«, sagte Carl kühl.
    »Ha, singen können wir doch auch selbst!« Oskar zwickte Emma in die Wange. »Willst du mal hören, Mädel? Ich weiß ein Lied für dich. Alle mal herhören, jetzt singt Oskar Crusius ein feines Liedchen für seine Verlobte!«
    Er riss Emma an seine Brust, hielt sie mit einem Arm fest umschlungen und stieß den anderen in einer dramatischen Geste in die Luft.
    »Bringen wir den Engländern die deutsche Kultur! Bringen wir ihnen Beethoven!«
    Inzwischen hatte sich ein kleiner Kreis amüsierter Gäste um sie herum gebildet.
    »Meine Damen und Herren, hören Sie nun«, Oskar machte eine Kunstpause. »Der Kuss!«
    Lautes Gejohle, Klatschen und Lachen. Offenbar verstand – sehr zu Emmas Leidwesen – die Mehrzahl der Gäste Deutsch. Oskar verstärkte seinen Griff um Emmas Taille und fing volltönend an zu singen.
    »Ich war bei Chloen ganz allein, und küssen wollt ich sie: Jedoch sie sprach, sie würde schrein, es sei vergeb’ne Müh …«
    Emmas Blick irrte herum, bis sie Carl entdeckte. Er stand unbeweglich wie ein Felsen unter den Zuhörern. Sein Gesicht war weiß, seine Hände zu Fäusten geballt.
    »Ich wagt es doch und küsste sie, trotz ihrer Gegenwehr. Und schrie sie nicht?«
    Oskar wandte den Kopf und sah Emma direkt in die Augen, sein Gesicht war kaum eine Handbreit von ihrem entfernt. Als er weitersang, wusste sie, dass seine Worte niemandem im Raum galten außer ihr.
    »Jawohl, sie schrie … doch lange hinterher! Sie schrie, ja, doch lange, lange hinterher!«
    Ringsum brandete Gelächter unter den Herren auf, während die Damen schockiert die Blicke senkten und sich hinter ihren Fächern versteckten. »Recht pikant, der alte Beethoven«, hörte Emma einen jungen Mann schmunzeln, und eine Dame zischte: »Diese Deutschen sind ja fast so frivol wie die Franzosen!«
    Emma hätte alles darum gegeben, sich einfach in Luft auflösen zu können, und als Oskar sich schwungvoll vor seinem Publikum verbeugte und dabei fast das Gleichgewicht verlor, nutzte sie die Gelegenheit und verließ fluchtartig seine Seite.
    Mit rotem Gesicht bahnte sie sich einen Weg durch die Gäste und hastete durchs Haus auf der Suche nach einem ruhigen Nebenraum. Sie fand ein Zimmer, das offensichtlich als Abstellkammer diente, und schlüpfte hinein. Zitternd ließ sie sich auf einen Stuhl sinken und vergrub das Gesicht in ihren Händen.
    Eine halbe Ewigkeit lang saß sie in der Kammer, unglücklich und zutiefst beschämt. Was hatte sich Oskar nur dabei gedacht, sie dermaßen zu demütigen? Diese anzüglichen Verse ausdrücklich ihr zu widmen! Was konnte er daran nur lustig finden?
    Oder war seine Vorführung vielleicht gar kein Spaß gewesen? Sondern eine Drohung? »Sie schrie … doch lange hinterher …«
    Oh, mein Gott!
    »Ich verstehe dich nicht«, hörte sie eine leise, dunkle Stimme hinter sich.
    Sie zuckte zusammen. Rasch hob sie den Kopf und sah in Carls traurige Augen. Er musste sie überall gesucht haben, sonst hätte er sie kaum

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