Der Duft von Hibiskus
Gott, wie braun sie war! Das Milchweiß ihrer Haut hatte sie ja bereits auf dem Schiff verloren, aber nach den Wochen im Busch war sie nun so dunkel, dass sie befürchtete, niemals wieder vornehm blass zu werden. Und sonst?
Kritisch betrachtete Emma ihr Spiegelbild. Das Haar war ausgebleicht und etwas strohig, es brauchte dringend Pflege. Dünner war sie auch geworden, fiel ihr auf; das Kleid, das sie zu Beginn der Expedition ohne Korsett nur mühsam zubekommen hatte, passte jetzt tadellos. Missmutig zog Emma Bilanz: zu helles Haar, ein Teint wie eine Wilde, kaum vorhandene weibliche Rundungen. Nur ihre Augen erschienen ihr hübscher als früher, strahlender, offener und größer. Wenigstens etwas. Seufzend wandte sie sich ab.
Ihre Laune besserte sich jedoch bald, denn sich ohne Angst vor Krokodilen oder plötzlich auftauchenden Forschern waschen zu können war eine Wohltat. Emma genoss es, sich ausgiebig ihrer Körperpflege zu widmen, und ließ zum guten Schluss ihrem Haar im Schein der Öllampe hundert Bürstenstriche angedeihen.
Als sie fertig war, war es draußen stockdunkel. Höchste Zeit, sich für das Fest anzuziehen! Sie entschied sich für das hellblaue Kleid aus ihrer Seekiste, griff aus alter Gewohnheit auch nach ihrem Korsett und, zur Feier des Tages, sogar nach der Krinoline. Als sie fertig angekleidet war, überzeugte ein Blick in den Spiegel sie davon, dass sie trotz ihrer Bräune, die sich ja leider nicht abwaschen ließ, wieder etwas präsentabler aussah. Sie schmückte ihr Haar noch mit einem hellblauen Band, dann ging sie hinunter in die Gaststube, wo sie sich mit den Forschern treffen wollte.
Carl schluckte, als er Emma sah, und starrte sie einen Moment lang an wie eine Erscheinung. Doch dann riss er seinen Blick von ihr los und sagte mit gleichmütiger Stimme: »Da wir mit Fräulein Röslin nun vollzählig sind, sollten wir gleich aufbrechen. Es ist schon spät, das Fest bei den Dunnings ist sicher schon in vollem Gange.«
Sie liefen in erwartungsvoller Vorfreude durch die warme Nacht. Carls Freunde wohnten in einem Backsteinhaus am Rande Brisbanes. Im Gegensatz zu den meisten Häusern hier war es zweistöckig und hatte einen hübschen Balkon. Mit dem festlichen Kerzenschein und der Musik, die aus den Fenstern und der offenen Tür drangen, machte es einen sehr einladenden Eindruck.
»Mein lieber Carl!«
Eine elegant gekleidete, dunkelhaarige Frau von etwa vierzig Jahren kam ihnen durch das Gewirr der lachenden und plaudernden Gäste entgegen. Auf Englisch sagte sie: »Wie wunderbar, dich endlich einmal wiederzusehen! Du hast dich also entschlossen, das Jahr 1859 mit deinen alten Freunden zu begrüßen?«
Carl beugte sich über die Hand der Dame und küsste sie.
»Mit meinen alten Freunden – und mit meinen neuen.« Lächelnd wies er auf Emma, Pagel, Krüger und Oskar, die sich etwas unbehaglich hinter ihm scharten.
»Eine Gruppe von Abenteurern, herrlich!« Die Dame lachte. »Willkommen, meine Lieben. Ich bin Victoria Dunnings, die Gastgeberin dieses kleinen Festes, und ich bin sehr froh, dass Sie es mit Ihrer Anwesenheit bereichern möchten. Kommen Sie doch herein, nur keine Scheu!«
Emma war von der herzlichen Ausstrahlung Mrs. Dunnings’ wie verzaubert. Carl stellte sie alle einander vor, dann lud Mrs. Dunnings sie mit einer schwungvollen Armbewegung ein, sich unter die Gäste zu mischen.
»Bei uns ist alles ganz zwanglos«, lächelte sie. »Es gibt nur eine Pflicht: sich zu amüsieren! Champagner und kleine Köstlichkeiten bekommen Sie von unseren Schwarzen, sie sind immer mit Tabletts unterwegs. Bedienen Sie sich einfach, ja?«
Pagel runzelte die Stirn. »Sie beschäftigen Wilde in Ihrem Haus?«
Mrs. Dunnings zog die Augenbrauen hoch. »Ich liebe diesen Ausdruck nicht, Herr Pagel. Glauben Sie mir, die … Wilden, wie Sie sagen, benehmen sich oft manierlicher als meine englischen Landsleute.«
Ein Seitenblick auf eine Gruppe mittelalter Herren, die gerade vor Lachen brüllten, begleitete ihre Worte.
»Mr. Curtis beispielsweise ist berühmt für seine obszönen Witze, vor allem wenn er getrunken hat.«
Pagel grinste. »Den Mann muss ich kennen lernen.«
Kurz entschlossen gesellte er sich zu der Gruppe um den betrunkenen Spaßmacher. Oskar folgte ihm nach kurzem Zögern, und wenig später hörte man die Forscher zusammen mit den anderen Herren laut lachen.
Carl beugte sich zu Mrs. Dunnings und schien sich leise für Pagel zu entschuldigen.
Emma schnappte etwas auf wie
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