Der Duft von Hibiskus
hier finden können.
»Du kannst ihn nicht lieben. Nicht du, Emma! Nicht ihn … Warum du ihn trotzdem heiraten willst, ist mir ein Rätsel.«
Carl kniete sich neben sie und betrachtete sie forschend, als könnte er in ihren Zügen des Rätsels Lösung finden. Mehrmals hob er zu sprechen an, brach aber immer wieder ab.
Schließlich sagte er stockend: »Wenn es einen Grund gibt, der dich zu diesem Schritt zwingt und von dem ich nichts weiß, Emma, dann sollst du wissen …«
Er verstummte und schaute sich nervös um. Dann stand er auf und schloss die Tür. Als er sich wieder neben sie kniete, sprach er so hastig, als fürchte er, den Mut zu verlieren. »Du sollst wissen, dass ich für dich da bin, wenn du mich brauchst. Und dass du nichts tun musst, was dich unglücklich macht. Wir sind in Australien, Emma.« Er lächelte leicht. »Hier bist du frei.«
Ihr Jammer brach sich Bahn.
»Aber nicht frei von meiner Vergangenheit! Es geht hier ja gar nicht um Oskar. Du hast zu mir gesagt, man müsse seinen Frieden damit schließen, was geschehen ist. Und das versuche ich gerade.« Sie schluckte hart. »Es ist so verflixt schwierig! Aber bevor ich es nicht geschafft habe, kann ich mich nicht auf … auf etwas Neues einlassen. Besser kann ich es dir nicht erklären, Carl. Es tut mir leid.«
Sie senkte den Kopf.
Einige Sekunden lang bewegte sich keiner von ihnen, nichts war zu hören als der gedämpfte Lärm des Festes, der durch die geschlossene Tür drang. Dann hielt Carl ihr fragend die Hand hin. Zögernd legte sie ihre hinein, und seine Finger schlossen sich warm und tröstlich um die ihren.
»Ich kann warten«, sagte er ruhig. »Kannst du mir im Gegenzug versprechen, dass du Crusius nicht heiratest?«
»Nichts lieber als das.« Sie grinste schief und wischte sich eine Träne von der Wange.
Carl nickte. Dann straffte er die Schultern, stand auf und zog sie sanft mit sich hoch. »Es ist gleich Mitternacht. Wollen wir zusammen das neue Jahr begrüßen?«
In diesem Moment hörten sie Gläserklirren und Jubeln, überall riefen fröhliche Menschen sich Glückwünsche zu.
»Es scheint, wir haben’s schon verpasst. Heiligabend im Busch und Silvester in der Abstellkammer.« Carl legte den Kopf schief. »Ich biete dir wirklich nicht viel, hm?«
»Du hast mir angeboten zu warten. Das ist mehr wert als alles andere.«
»Aber wir können noch nicht einmal anstoßen.«
Er strich ihr sanft über das Haar.
»Doch«, sagte sie leise. »Auf unsere Art.«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte Carl einen Kuss auf den Mund. »Frohes neues Jahr, Carl«, sagte sie, drehte sich um und verließ rasch die Kammer.
Sie lief durchs Haus und hinaus in die Einsamkeit des Gartens, wo sie die warme Nachtluft tief einatmete. Sie schaute hinauf in den schwarzen, sternenfunkelnden Himmel.
War das alles wirklich passiert? Sie hatte sich erdreistet, Carl zu küssen! Und hatte Carl ihr tatsächlich zu verstehen gegeben, dass er sie liebte? Direkt gesagt hatte er es nicht … Aber konnte man sein Versprechen, auf sie zu warten, denn anders deuten? Er liebte sie, er musste sie lieben. Oh, wie sehr sie seine Gefühle erwiderte!
Glück und eine tiefe Ruhe breiteten sich in ihr aus, begleitet von etwas Neuem. Emma brauchte einen Augenblick, um es einordnen zu können. Sie lachte leise, als sie es erkannte.
Zuversicht.
Sie würde sich erinnern, koste es, was es wolle. Und dann würde sie endlich wissen, ob ihre Schuld tatsächlich so groß war, dass sie das Recht auf einen Neuanfang verwirkt hatte.
Gott gebe, dass Carl nicht umsonst auf mich wartet, dachte sie inbrünstig.
Sie atmete noch einmal tief durch, dann ging sie mit festen Schritten zurück ins Haus.
1859 konnte kommen.
16
J anuar 1859
A m ersten Tag des neuen Jahres begannen die Forscher damit, eifrig ihr Sammelgut zu verpacken. Noch im Januar sollte alles mit dem Dampfschiff in die Moreton Bay gebracht werden. Dort würden Emmas Zeichnungen, Oskars Pflanzen und die eingelegten Tiere auf das nächste Schiff in Richtung Hamburg verladen werden, während Carls, Krügers und Pagels Sammlung mit dem Postdampfer nach Sydney gebracht würde.
Für Emma bedeutete das einen ganzen langen, entspannenden Tag ohne Arbeit, denn am Morgen hatte Oskar ihr brummend freigegeben – angeblich, weil sie das diffizile Geschäft des Verpackens nicht verstand. Da er jedoch ihren Blick gemieden hatte und auffallend wortkarg gewesen war, vermutete sie eher, dass ihm die Erinnerung an
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