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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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glänzen.
    Der Ball im Schankraum des Gasthauses entpuppte sich dann allerdings als ein Tanzvergnügen, das sich von allem unterschied, was sie in Deutschland unter diesem Namen erwartet hätte. Außer der Forschergruppe fanden sich noch etwa fünfzehn Männer ein, die fröhlich tranken, rauchten und ihre Lieder sangen. Emma war die einzige Frau, und als schließlich die Tänze begannen, waren es keine Gesellschaftstänze, wie Emma sie kannte, sondern irische Jigs und Hornpipes, die von einem Blasinstrument gleichen Namens begleitet wurden. Die anwesenden Gäste – in der Hauptsache Schotten und Iren – tanzten mit schnellen und kunstvollen Bewegungen dazu, immer einer allein, während die restlichen Männer den Tänzer mit Rufen und Klatschen anfeuerten. Emma wippte mit den Füßen mit, die fröhliche Musik, die die Hornpipe spielte, gefiel ihr. Am liebsten hätte sie selbst getanzt, doch das war bei diesem Ball ganz offensichtlich nicht vorgesehen.
    Umso erstaunter war sie, als Oskar sich zu ihr herüberbeugte und sie fragte: »Schenkst du deinem ehemaligen Verlobten einen Tanz, Emma?«
    »Was, hier? Ich bin die einzige Frau außer der Wirtin, ich sollte mich besser zurückhalten, oder?«
    »Ich passe schon auf, dass niemand dich mir abspenstig macht. Schau, die Leute sind doch ganz anders als die Säufer gestern Abend. Du kannst es schon wagen!«
    Emma zögerte. Es stimmte, die Gäste waren nicht mit den Squattern im Busch-Inn zu vergleichen, keiner hier wirkte bedrohlich auf sie. Die Männer schienen angeheitert, aber nicht betrunken, und eigentlich war ja auch nichts dabei, ein kleines Tänzchen zu wagen.
    Aber mit Oskar?
    »Du bist es mir schuldig, findest du nicht?«, sagte Oskar. »Ich habe dich offiziell freigegeben, wie du es dir gewünscht hast. Da ist ein einziger Tanz als Dank nicht zu viel verlangt, meine ich.«
    Sie stand auf. »Du hast Recht. Also lass uns tanzen.«
    Die Gäste pfiffen und grinsten, als Emma mit Oskar in die Mitte des Raumes trat. Oskar umfasste ihre Taille, und sie musste zugeben, dass er ein geschickter Tänzer war: Obwohl ihnen beiden die Melodie unbekannt war, fühlten ihre Tanzschritte sich harmonisch an, und Oskar führte Emma so beschwingt über den Holzboden, dass sie unwillkürlich lächelte. Sie sah die Freude in seinen Augen und dachte, dass sie in ihrer Ablehnung seiner Person möglicherweise zu hart gewesen war.
    Spontan fragte sie: »Was hast du eigentlich gegen Carl Scheerer, Oskar? Ihr seid beide gute Forscher, ihr könntet euch doch helfen, statt euch zu bekriegen.«
    Er hielt abrupt im Tanzen inne, und Emma kam aus dem Takt und stolperte. Als sie weitertanzten, fühlte es sich steifer an als zuvor.
    »Ich habe gar nichts gegen ihn. Wie kommst du denn darauf? Ich mag es bloß nicht, wenn er sich als Buschkönig aufführt.«
    »Tut er das denn?« Emma fühlte den Drang, Carl zu verteidigen. »Er ist der Leiter und trifft die Entscheidungen. Aber das ist seine Aufgabe! Jede Gruppe braucht einen Leiter.«
    Bitter sagte Oskar: »Aber warum er? Ich will es dir sagen, Emma: weil sein alter Herr ein bekannter Universitätsprofessor ist. Nur deshalb bekommt Scheerer automatisch die Oberhoheit über alle Expeditionen hier.«
    »Aber …«
    »Ja, ja, ich weiß, Scheerer hat viele Fähigkeiten. Ein schlechter Forscher ist er nicht, schon klar.« Er schwieg kurz, dann brach es aus ihm heraus: »Aber was mich wirklich stört, Emma, was mich wahnsinnig macht, das ist nicht sein Können und auch nicht die Tatsache, dass er der Leiter ist. Sondern sein Hochmut. Scheerer schaut auf Männer wie mich herab, nur weil wir einen anderen familiären Hintergrund haben. Weil uns nicht das Geld und ein altehrwürdiger Name hochgebracht haben, sondern unser eigenes Streben, verdammt!«
    Emma überkam das seltsame Bedürfnis, Oskar zu trösten. Unbeholfen sagte sie: »Du musst dich nicht für deine Herkunft schämen, Oskar. Carl schaut ganz sicher nicht auf dich herab, so ist er nicht. Auf mich schaut er doch auch nicht herab, und dabei weiß er überhaupt nichts über meine Herkunft!«
    Oskar presste seine Lippen aufeinander, bis sein Mund nur noch ein schmaler Strich war. Oh je, da hatte sie wohl das falsche Argument gewählt! Sie verfluchte sich innerlich für ihre Ungeschicklichkeit, und während er sie zornig über die Tanzfläche wirbelte, suchte sie nach Worten, um ihn zu besänftigen.
    Doch da meinte er barsch: »Erstens: Ich schäme mich keineswegs für meine Herkunft, lass dir das

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