Der Duft von Hibiskus
gesagt sein. Zweitens: Bei dir liegt der Fall ja wohl anders als bei mir. Dich will Scheerer in sein Bett ziehen, da wäre offen zur Schau gestellter Hochmut eher hinderlich.« Er lachte freudlos. »Habe ich Bett gesagt? Auf den dreckigen Buschboden in seinem Zelt, meinte ich natürlich.«
Emmas Mitleid verflog so rasch, wie es gekommen war. Sie befreite sich aus Oskars Armen und blieb, von der wilden Tanzerei heftig atmend, vor ihm stehen. »Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen? Und Carl so niedere Absichten zu unterstellen?«
»Ach komm schon, Emma. Jeder kann sehen, wie er dich anschaut. Und du ihn auch, wohlgemerkt. Willst du leugnen, dass dein romantisches Herz für ihn schlägt?« Auch Oskar atmete schwer. »Du träumst von ihm, habe ich Recht? Aber pass bloß auf, dass du nicht unsanft erwachst, Kindchen.«
Sie ballte die Hände zu Fäusten und wollte ihm entgegenschleudern, dass sie erwachsen sei und sehr gut wisse, was sie tue, doch dann fiel ihr Ludwig ein.
Wenn ich mich wieder irre?, dachte sie erschrocken. Wenn auch Carl nur mit mir spielt? Wenn alle Männer so sind wie Ludwig?
Ihr Blick flog hinüber zu Carl, der neben Krüger am Tisch saß und sie stirnrunzelnd beobachtete. Er sah aus, als sei er auf dem Sprung; bereit, sofort zu ihr zu kommen, wenn sie ihn brauchte.
Was hatte er heute Nachmittag gesagt? Es sei falsch, alle Menschen über einen Kamm zu scheren. Sollte das nicht für weiße Männer ebenso gelten wie für Eingeborene?
Sie kämpfte Furcht und Misstrauen nieder und lächelte Carl zu. Als sie sah, dass die Spannung daraufhin ein wenig aus seiner Haltung wich, wandte sie sich noch einmal Oskar zu.
»Danke für deine Warnung, Oskar. Sei versichert, ich werde daran denken, wenn ich das nächste Mal auf dem dreckigen Buschboden in Carls Zelt liege.«
Sie sah noch, wie ihm die Kinnlade herunterfiel, dann drehte sie sich mit rauschenden Röcken um und ging hocherhobenen Hauptes zum Tisch zurück.
20
C unningham’s G ap, F ebruar 1859
D ie nächsten beiden Nächte verbrachten sie draußen. Carls Veilchen hatte sich mittlerweile blaurot verfärbt und erinnerte die Gruppe stets an das grässliche Busch-Inn. Die spärlich gesäten Gasthäuser auf dem Weg zur Main Range sahen nicht viel besser aus, und so beschlossen sie, jeweils nur ihr Nachtmahl dort einzunehmen und dann weiterzuziehen, um in sicherer Entfernung von etwaigen Trunkenbolden unter freiem Himmel zu lagern. Zum Frühstück würden sie sich eben mit ihrer üblichen Busch-Nahrung begnügen müssen.
Emma schlief – wie die Männer auch – voll bekleidet. Nur eine dünne Decke zwischen sich und dem sandigen Boden, fühlte sie sich ohne das schützende Zelt seltsam ausgesetzt und verloren.
In der ersten Nacht starrte sie lange in das sternenübersäte Firmament, und melancholische Fragen stürmten auf sie ein. Würde sie niemals mehr ein richtiges Zuhause haben? Vier gemauerte Wände, in die sie zurückkehren konnte, wann immer sie das Bedürfnis nach Rückzug verspürte? Würde sie für den Rest ihres Lebens aus einer Seekiste leben, mit einem gemieteten Gasthauszimmer in Brisbane als einzigem Fixpunkt ihrer Existenz? Zwar gefiel ihr das abenteuerliche Forscherdasein mehr, als sie es je für möglich gehalten hätte – aber für immer unterwegs sein, niemals irgendwo ankommen? Bei dieser Vorstellung wurde ihr Herz schwer.
Auch die zweite Nacht brachte bange Überlegungen, obwohl Emma von den Strapazen des Tages todmüde war. Doch der wohlverdiente Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Unruhig drehte sie sich von einer Seite auf die andere, schaute mit weit offenen Augen in den stockdunklen Busch, horchte auf die Schreie der Nachtvögel und verscheuchte mehr sirrende, kitzelnde und stechende Insekten, als sie hätte zählen können. Nein, an Erholung und süße Träume war hier draußen nicht zu denken.
Resigniert drehte Emma sich auf den Rücken und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Und wenn sie die stillen Stunden dafür nutzte, endlich ihre wichtigste Aufgabe in Angriff zu nehmen? Wenn sie mit aller Kraft versuchen würde, sich zu erinnern? Vielleicht hatte sie hier, in solch enger Verbindung zur Natur, einen besseren Zugang zu ihrer Seele als sonst …
Sie schloss die Augen und horchte in sich hinein. Die Antwort auf ihre Frage schlummerte tief in ihr, das wusste sie. Wenn sie doch nur wüsste, wie sie sie an die Oberfläche locken konnte!
Sie beschloss, sich in die Momente einzufühlen, die
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