Der Duft von Hibiskus
ihm gehorsam aus dem Haus, und Emma blieb allein mit Carl und Oskar zurück. Das Feuer ihrer Wut sank in sich zusammen. Sie fühlte, dass sie nicht ganz im Recht war, und doch wollte sie nicht klein beigeben. Denn dann wäre sie dazu verdammt, tagaus, tagein am Zeichentisch zu sitzen und den Regenwald nur noch aus der Ferne zu betrachten. Purlimil und Yileen würde sie niemals wiedersehen, ihre fremde, eigenartige Welt nie näher kennen lernen.
Nein, dazu durfte es nicht kommen. Irgendetwas wartete dort auf sie – auch wenn sie noch nicht wusste, was es war. Aber es war wichtig.
Sie holte tief Luft und sagte beherrscht: »Es war gedankenlos von mir, einfach zu gehen, ohne euch eine Nachricht zu hinterlassen. Dafür entschuldige ich mich. Aber dafür, dass ich mich hier ebenso umsehen möchte wie ihr, entschuldige ich mich nicht. Ich vernachlässige weder die Zeichenarbeit noch meine Gemeinschaftspflichten, lediglich die sinnlose Fleißarbeit habe ich liegen gelassen. Ich denke, nach Wochen des Graszeichnens geht das auch in Ordnung, oder? Also gesteht mir bitte zu, dass ich meine freie Zeit verbringe, wie ich es will.«
Carl schwieg. Mit unergründlichem Blick sah er sie an.
Oskar sagte spöttisch: »Und was will das Fräulein? Im Kochtopf der Kannibalen landen?«
»Was gibt dir das Recht, so über diese Menschen zu urteilen?«, brauste Emma auf. »Ich habe heute einige Schwarze kennen gelernt, und sie waren so hilfsbereit und freundlich, dass mir dein und Pagels Gerede über Menschenfresser gründlich gegen den Strich geht!«
»Wie sprichst du eigentlich mit mir?« Auch Oskar wurde lauter. »Dein Vater hätte dir in der Kindheit Manieren beibringen sollen, dann wüsstest du jetzt, wie man sich Herren gegenüber benimmt!«
Empört stemmte Emma die Hände in die Seiten. »Wer einer Dame so etwas sagt, ist sowieso kein Herr!«
»Bist du denn eine Dame?« Er legte den Kopf schief und betrachtete sie abschätzig. »Am Anfang dachte ich das. Aber mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher.«
»Mäßigen Sie sich, Crusius«, sagte Carl schneidend. »Es reicht jetzt mit den Unverschämtheiten.«
»Lass nur, Carl«, sagte Emma mit mühsam unterdrückter Wut. Sie wandte sich wieder an Oskar. »Wenn du unter einer Dame ein Wesen verstehst, das nicht gerne selbst denkt, das am liebsten auf dem Sofa sitzt und dessen Begehr Spitzen und ein reicher Gatte sind – nein, dann bin ich wahrlich keine Dame. Aber weißt du, was ich bin? Eine Frau. Kein Kind, nicht dein Mündel und auch nicht deine Sklavin. Ich zeichne für dich, aber ich brauche mich nicht von dir beschimpfen zu lassen. Und was ich in meiner Freizeit tue, das – ist – meine – Sache!«
Sie standen einander gegenüber und funkelten sich an. Emma wusste, dass sie gerade mit ihrer Zukunft als Pflanzenzeichnerin spielte, aber in diesem Moment war es ihr egal. Alles war egal, außer dem übermächtigen Bedürfnis, endlich klarzustellen, dass sie niemandes Untergebene war.
»Du bist meine Gespielin und hast zu tun, was ich dir sage«, hört sie Ludwigs Stimme an ihrem Ohr. »Auch wenn es dir nicht gefällt. Mir gefällt es, und nur darauf kommt es an.« Herrisch dirigiert er ihren Kopf dorthin, wo er ihn haben möchte.
Nein! Nie mehr!
Die Erinnerung verblasste.
Ihre Stimme war brüchig, als sie sagte: »Ich möchte die Heilkunde der Eingeborenen kennen lernen. Sie interessiert mich. Ich bitte euch einfach, das zu akzeptieren.« Emma wandte sich an Oskar. »Und wir beide müssen über meine ›Fleißarbeit‹ sprechen. Ich bin kein Schulmädchen mehr. Vielleicht solltest du dir das mal klarmachen.«
»Meine liebe Emma«, sagte Oskar süffisant, »es steht dir natürlich frei, dich meinen Anordnungen zu widersetzen. Aber eines solltest du dir klarmachen: Wenn du weniger für mich arbeitest, dann werde ich dir deinen Lohn kürzen müssen. Du verstehst bestimmt, dass ich Godeffroys Geld nicht zum Fenster hinauswerfen darf. Eine Zeichnerin, die sich ständig bei den Wilden rumtreibt, ist kaum drei Pfund die Woche wert, nicht wahr?«
Emma sog scharf die Luft ein. Er wollte ihr weniger bezahlen? Noch weniger?
Carl maß Oskar mit einem verächtlichen Blick. »Drei Pfund sind sowieso ein Hungerlohn. Wie viel bekommen Sie, Crusius? Ein Vielfaches, möchte ich wetten.«
»Ich bin auch ein Forscher! Sie hingegen«, er deutete auf Emma, »ist ohne mich nichts.«
Emma kochte vor Zorn. Halt an dich, beschwor sie sich selbst und presste ihre Fingernägel in die
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