Der Duft von Hibiskus
lässig an der geschlossenen Tür. »Spröde oder willig?«
Emmas Schwitzen verstärkt sich. »Meine Mutter ist zu Hause, Ludwig.«
»Ach, geht es jetzt wieder mit den Ausreden los?« Er stößt sich von der Tür ab und schlendert auf sie zu. »Gefallen dir unsere Spielchen nicht mehr, Liebchen?«
Sie haben mir noch nie gefallen, will sie sagen, doch sie spürt, wie sich ihr beim bloßen Gedanken daran, was er heute wieder von ihr fordern könnte, der Magen umdreht.
»Mir ist schlecht«, flüstert sie und setzt sich zitternd auf den Klavierhocker.
»Dann lenke ich dich ein bisschen ab, hm?«, sagt Ludwig unbeeindruckt.
Seine Mitleidlosigkeit treibt ihr die Tränen in die Augen. Sie schaut zu ihm hoch und hält seine Hand fest, die sich an ihrem Ausschnitt zu schaffen macht.
»Du liebst mich nicht mehr«, sagt sie leise. »Sonst wärst du nicht so grausam. Du hast eine andere Frau gefunden. Habe ich Recht?«
Kurz hält er inne. »Emma, du wusstest von Anfang an, dass ich verheiratet bin«, sagt er dann ungeduldig, als habe er es mit einer Idiotin zu tun.
»Das meine ich nicht. Ich meine eine Dritte. Es gibt Auguste, es gibt mich – und es gibt die Neue.«
Ludwig schüttelt den Kopf. »Misstrauen steht dir nicht, Emma. Und es gefällt mir nicht, von meiner Geliebten angeklagt zu werden.«
Verzweifelt schaut sie zu ihm hoch.
Er lächelt fein. »Aber keine Angst, ich habe da schon eine Idee, wie du es wiedergutmachen kannst.«
Mit einem Ruck tauchte Emma aus ihren Erinnerungen auf. Schweißgebadet zwang sie sich, den quälenden Bildern nachzuspüren, die – wie immer – plötzlich und ohne Vorwarnung abgebrochen waren. Doch es war vorbei. Ihre Seele schien Emma niemals mehr zuzumuten, als sie verkraften konnte. Aber ob sie das, worauf alles hinauslaufen würde, jemals würde verkraften können?
Sie drehte sich zur Seite und dachte an Carl. Er war so anders als Ludwig. Als Oskar vorhin verwirrt das Haus verlassen hatte – dass sie freiwillig auf die Hälfte ihres Lohnes verzichten wollte, war ihm einfach nicht in den Kopf gegangen –, hatte Carl leise zu ihr gesagt: »Du könntest meine Assistentin werden. Die Kolonialregierung zahlt gut, da sitzt durchaus noch eine Assistentenstelle drin. Kein Problem, von meinem Lohn etwas abzuzwacken.«
Sie hatte den Kopf geschüttelt, obwohl sein Angebot sie zutiefst gerührt hatte. »Nein, Carl. Ich muss es alleine schaffen.«
»Aber das geht nicht. Selbst wenn du sehr, sehr sparsam lebst – mit eineinhalb Pfund die Woche klopfst du bald bettelnd an anderer Leute Türen!«
»Mir fällt schon was ein.« Sie hatte überzeugter geklungen, als sie sich gefühlt hatte.
Er hatte sie wieder mit diesem hintergründigen Blick angesehen. »Warum nicht, Emma?«, hatte er dann gefragt.
Sie hatte mit den Schultern gezuckt. »Das wirst du nicht verstehen. Ich … ich möchte dir einfach in die Augen sehen können, ohne mich vor dir ducken zu müssen.«
Wider Erwarten hatte Carl genickt und es dabei belassen. Als sie etwas später gegangen war, hatte sie neben der Sorge um sie auch Hochachtung in seinen Augen gelesen.
Emma lächelte. Carls liebevoller Blick hüllte sie ein wie die warme Decke, die sie jetzt gerne gehabt hätte – es war wirklich verflixt kalt –, und sein Blick begleitete sie auch noch, als sie in den Schlaf hinüberglitt, einem Morgen voller ungeklärter Fragen entgegen.
Beim Frühstück am nächsten Tag bemühten sich alle, so zu tun, als sei nichts geschehen. Krüger und Pagel sahen Emma mit einem ähnlich verständnislosen Blick an wie Oskar, der den Forschern offensichtlich von ihrer Entscheidung erzählt hatte, von nun an von einem Hungerlohn zu leben. Carl war freundlich und zurückhaltend ihr gegenüber, wie stets im Beisein der anderen, und sie selbst trug eine selbstbewusste Gelassenheit zur Schau. Es musste ja niemand wissen, fand sie, wie unsicher sie sich in Wirklichkeit fühlte.
Nach dem Frühstück zog sie sich in ihr Zeichenzimmer zurück und begann, die klatschmohnroten Blüten zu zeichnen, die Oskar ihr wortlos hingelegt hatte. Sie strengte sich an, besonders sorgfältig zu arbeiten; Oskar sollte keinen Grund haben, an ihrer Arbeitsmoral zu zweifeln. Sie vertiefte sich so sehr in das Wesen der Pflanze, dass sie nicht hörte, wie sich die Tür öffnete und jemand hinter sie trat.
»Ich habe nachgedacht, Emma«, sagte Carl.
Sie zuckte zusammen: »Huch, hast du mich erschreckt!«
Ein Blick in sein Gesicht verriet ihr, dass sein
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