Der Duft von Hibiskus
Handflächen. Wenn du ihm jetzt sagst, was du von ihm und seinen Worten hältst, bist du deine Anstellung ganz los!
»Also, Emma«, sagte Oskar. »Zeichne meinetwegen nur noch das Nötigste, geh mit Scheerer in den Busch und lebe von eineinhalb Pfund die Woche. Einverstanden?« Leutselig hielt er ihr die Hand hin.
Er denkt, so hat er mich, dachte Emma ohnmächtig. Jeder weiß, dass man von eineinhalb Pfund in der Woche nicht leben kann. Er denkt, jetzt muss ich mich ihm freiwillig unterwerfen.
Ludwigs Lächeln, ihre zusammengebissenen Zähne, der Schmerz. »Unterwerfung gehört zur Natur der Frau, Liebchen.«
Nie mehr!
Emma griff nach Oskars Hand und drückte sie so fest, dass er zusammenzuckte. »Einverstanden, Oskar. Keine Machtspielchen mehr mit langweiligen Gräsern. Ich zeichne nur noch das, was du tatsächlich an Godeffroy schickst, dafür verzichte ich auf die Hälfte des Lohnes.«
Sie nickte zur Bekräftigung, dann ließ sie seine Hand los. Sie unterdrückte den Impuls, sich die Finger, die seine Hand berührt hatten, an ihrem Rock abzuwischen.
Oskar war zu erstaunt, um gleich zu antworten. Einige Sekunden lang herrschte Totenstille im Haus.
Dann räusperte er sich und fragte: »Bist du sicher, dass du weißt, was du tust?«
»Ja«, sagte sie fest. »Absolut sicher.«
23
N un hatte sie also auch noch ein Geldproblem.
Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, lag Emma in ihrer Hütte, auf dem Feldbett mit den eingeklappten Füßen. Ganz schön hart. Und kalt – die Nächte hier oben waren merklich kühler als im Busch auf den Ebenen, vor allem, wenn man praktisch auf dem Boden lag, weil das Bett nicht hielt.
An mangelnden Komfort bin ich ja schon gewöhnt, dachte sie mit galligem Humor, viel kann mir da nicht passieren, wenn ich kaum mehr was verdiene.
Außer, dass sie sich kein neues Kleid würde leisten können, wenn ihre Kleider alle zerschlissen wären. Und bis dahin war es nicht mehr weit. Sie würde mit ihrem Zahnpulver sparsamer umgehen müssen, als es ihr lieb war, und sie würde nach ihrer Rückkehr nach Brisbane in ein noch günstigeres Gasthaus umziehen müssen. Emma seufzte. Rosig waren diese Aussichten nicht gerade. Hätte sie nicht doch vor Oskar zu Kreuze kriechen sollen?
Nein, nein, nein!
Unwillkürlich schauderte sie. Seit die Erinnerung an Ludwigs Bettspiele sie so überraschend überfallen hatte, spürte sie die Aversion gegen jegliche Unterwerfung, in welchem Sinne auch immer, fast schon körperlich.
Ihre Gedanken wanderten zurück nach Stuttgart. Wie hatte sie bloß verdrängen können, wie es mit Ludwig wirklich gewesen war? Wie hatte sie es geschafft, nach der Trennung von ihm – nach den dunklen Tagen – alles auszublenden, was dem romantischen Anfang, den zarten Liebesschwüren, den Küssen während der Klavierstunden gefolgt war? Dass es Unangenehmes während ihrer körperlichen Vereinigungen gegeben hatte, daran hatte sie sich gerade noch erinnert. Aber wie unangenehm es gewesen war, wie erniedrigend – das war einfach verweht wie ein böser Traum.
Ein Traum allerdings, der nachwirkte. Nie mehr, das war ihr nun klar, würde sie im Stande sein, den weiblichen Kniefall vor dem Willen des Mannes mit heiterer Gelassenheit zu vollziehen, so wie es von ihrem Geschlecht verlangt wurde. Immer würden ihr in solchen Situationen jene Bilder vor Augen kommen, die sie in den Wochen ihrer Krankheit, während der Schiffsfahrt und auch hier in Australien erfolgreich verdrängt hatte – bis heute. Bilder von erzwungener Lust, Rücksichtslosigkeit und Ohnmacht.
Wie konnte ich nur an der Vorstellung festhalten, dass ich Ludwig liebe?, dachte sie fassungslos. Hier, weit weg von Ludwig, von Württemberg und von einem Dasein als höhere Tochter verstand sie jene demütige, verzweifelt liebende Emma überhaupt nicht mehr. War es am Ende ihr Glück gewesen, dass die Kälte ihres Vaters sie nach Australien getrieben hatte?
Sicherheiten, Glaubenssätze, niemals hinterfragte Verhaltensweisen zersprangen in tausend Splitter. Wie von selbst tauchte Emma in die Momente vor ihrem Gedächtnisverlust ein. Jetzt, da sie wieder wusste, wie sehr sie unter Ludwig gelitten hatte, flogen ihr die längst vergangenen Gefühle zu wie aufgeregt zwitschernde Vögel.
Die Angst, ihn zu verlieren. Seine Kälte. Die dritte Frau. Meine seltsame Erleichterung, ein Hauch von Freiheit, die Ahnung, dass ein Leben mit ihm nicht meine Bestimmung sein kann …
»Wie sind wir heute gelaunt, Liebchen?« Ludwig lehnt
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