Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
Vom Netzwerk:
wunderschön. Ist es ein Kleidungsstück?«
    Purlimil nickte. »Für Winter.«
    Noch ehe Emma sich bedanken konnte, kam ein junger, kräftiger Mann aus der Hütte, aus der Purlimil den Fellumhang geholt hatte. Lächelnd zog die junge Frau ihn zu sich her.
    »Das Yileen«, stellte sie ihn Emma mit Stolz in der Stimme vor.
    »Dein Mann?«, fragte Emma und warf Yileen einen etwas verkrampften Blick zu. Es würde wohl doch eine Weile dauern, bis sie sich an die Nacktheit der Männer gewöhnt haben würde.
    »Mann und Vater von mein Kind«, sagte Purlimil stolz.
    »Du hast ein Kind?« Emma lächelte. »Ist es ein Junge oder ein Mädchen?«
    »Noch kein Kind. Aber wartet.« Purlimil blickte träumerisch um sich. »Babygeist wartet in Wasser. Oder auf Felsen. Oder auf Baum. Kommt bald.«
    Yileen nickte lächelnd – offensichtlich verstand er die englische Sprache ebenso wie den Sinn der rätselhaften Worte – und strich seiner Frau über den Rücken. Emma hingegen schwieg verwirrt. Purlimil war noch nicht einmal guter Hoffnung, und doch sprach sie von sich, Yileen und dem Baby, als seien sie bereits eine Familie? Emma begann zu ahnen, dass sie noch sehr oft mit Purlimil würde sprechen müssen, um sie wirklich zu verstehen.
    Das Dämmerlicht war von Grün in Blaugrau übergegangen, und plötzlich wurde Emma bewusst, dass es bald dunkel sein würde. Und sie stand mitten im Regenwald und hatte den langen Heimweg noch vor sich! Falls sie ihn überhaupt finden würde …
    »Ich muss gehen«, sagte sie hastig. »Aber ich würde gerne wiederkommen. Darf ich?«
    Purlimil und Yileen bejahten dies, doch sie wollten sie nicht alleine zurückgehen lassen. »Yileen dich begleiten«, sagte Purlimil bestimmt. »Wo wohnst du?«
    »Außerhalb des Regenwaldes. Dort gibt es einen Platz mit ein paar verlassenen Hütten, in denen ein Ingenieur mit seinen Leuten gewohnt hat.« Noch während sie sprach, wurde Emma klar, dass Purlimil den Standort ihrer Bleibe aufgrund dieser vagen Beschreibung kaum würde ausmachen können. Sie wusste wahrscheinlich nicht einmal, was ein Ingenieur war! Vielleicht war sie auch noch nie außerhalb des Regenwaldes gewesen? Vielleicht …
    »Mr. Hay«, unterbrach Purlimil Emmas Gedanken. »Guter Mann, wir oft Essen getauscht. Yileen kennt Platz gut. Kennt schnellen Weg dorthin.«
    Beschämt bedankte Emma sich für die Hilfe. Sie verabschiedete sich von Purlimil, winkte den Männern, Frauen und Kindern, die sie immer noch neugierig beäugten, etwas unsicher zu und folgte dann Yileen ins Dickicht. Dabei nahm sie sich vor, die Eingeborenen nie mehr zu unterschätzen.
    Eine Forscherin sollte frei von allen Vorurteilen sein, dachte sie ernsthaft, und sie bemühte sich so sehr, diesen Grundsatz zu verinnerlichen, dass ihr gar nicht auffiel, dass sie sich selbst zum ersten Mal wie selbstverständlich als Forscherin bezeichnet hatte.
    Auch wenn Emma keine Ahnung hatte, ob Yileen sie wirklich zu ihrem Wohnplatz führte – sie erkannte nichts auf ihrem Weg wieder, aber er führte sie ja auch die Abkürzung entlang –, folgte sie ihm doch mit einem Vertrauen, das sie selbst wunderte. Sie wusste, dass sie dem jungen Mann in dieser Wildnis ganz und gar ausgeliefert sein würde, sollten seine Absichten unlauter sein. Aber nichts erschien Emma undenkbarer als das. Auf Yileen und Purlimil wartete ein Babygeist – und der zukünftige Vater würde nichts tun, was dem Leben widersprach. Woher sie diese innere Sicherheit hatte, konnte Emma nicht sagen, aber sie fühlte sie ebenso stark wie die Gewissheit, am heutigen Tag nicht nur in den Regenwald, sondern in eine absolut andere neue Welt eingetaucht zu sein.
    Yileen blieb stehen und wandte sich zu ihr um. »Da vorne Hütten«, sagte er. »Ich zurück. Wenn du willst, wir treffen morgen.«
    »Wann?«, fragte Emma. »Und wo?«
    »Hier, wenn Donner grollt.«
    »Wenn der Donner grollt? Aber wann ist das? Ich meine, wir können doch gar nicht wissen, ob und um wie viel Uhr …«
    Yileen lachte leise. »Du zu viel fragen. Wir treffen morgen, wenn Donner grollt.«
    Emma verkniff sich das weitere Nachbohren und verlegte sich darauf, stumm zu nicken. Dass Yileen ihre Zustimmung allerdings noch gesehen hatte, bezweifelte sie, denn es raschelte kurz, und schon hatte der Regenwald ihn wieder verschluckt.
    Langsam ging sie die letzten Schritte auf dem Weg, den Yileen ihr gewiesen hatte. Als das Dickicht sich lichtete und die ersten Eukalypten sich vor ihr in die Dämmerung reckten, kam es ihr

Weitere Kostenlose Bücher