Der Duft von Orangen (German Edition)

weil meine Mom entschlossenwar, mich die Klasse nicht wiederholen zu lassen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits Hunderte von Tests über mich ergehen lassen, die alle keine Resultate zeigten, nicht einmal ein Gehirnschaden konnte nachgewiesen werden. Also setzte man mich auf Medikamente, die die Episoden unterdrückten. Zumindest die, die sie erkannten. Ich wurde richtig gut darin, so zu tun, als wüsste ich genau, was um mich herum vorgeht, selbst wenn ich durch eine Episode ein paar Minuten einer Unterhaltung verpasste.“
    Sie verzog das Gesicht. „Mein Gott, das ist ja superätzend.“
    „Na ja. Es hätte schlimmer sein können. Ich hätte einen permanenten Gehirnschaden erleiden und behindert bleiben können. Noch behinderter“, fügte ich hinzu und gab mir keine Mühe, die Bitterkeit in meiner Stimme zu unterdrücken. „Denn ehrlich gesagt hat mir das mein Leben ganz schön vermasselt.“
    Sie nahm meine Hand und drückte sie.
    „Danke. Wie auch immer, zurück zu dem, was ich eigentlich sagen wollte. Je älter ich wurde, desto öfter hatte ich in der Dunkelheit Halluzinationen. Es waren keine echten Träume, dafür hingen sie zu fest zusammen. Außerdem wusste ich meistens, dass ich nicht wirklich gerade das tat, was mein Gehirn mir vorgaukelte. Das war ganz hilfreich, denn manchmal fand ich mich mitten im Unterricht in einem Feld voller Blumen wieder, wo ich Schmetterlinge fing. Ich wusste, dass ich in die Dunkelheit gegangen war und konnte sofort versuchen, mich wieder zurückzuholen.“
    „Kannst du das wirklich? Also dich da wieder rausholen?“
    „Manchmal. Aber ab und zu …“ Ich zuckte mit den Schultern und dachte daran, wie ich im Krankenhaus aufgewacht war und Johnny meine Hand gehalten hatte.
    „Puh.“ Jen seufzte und schaute mitfühlend, aber nicht mitleidig.
    „Bevor ich hierhergezogen bin, hatte ich über ein Jahr lang keine Episode und die Jahre davor auch keine besonders schweren. Die letzten Halluzinationen waren noch länger her. Vielleicht drei oder vier Jahre.“
    „Und jetzt?“
    „Ich habe über Johnny halluziniert.“
    Ihre Augenbrauen schossen wieder hoch. „Echt? Und was?“
    „Das erste Mal war ein totales Durcheinander. Ich war in dem Zug aus dem Film Zug der Verdammten und war die Gräfin oder was auch immer die Frau darstellen sollte. Und wir haben … na, du weißt schon.“
    „Krass, du hast ihn im Zug gevögelt? Gegen so einen Traum hätte ich nichts einzuwenden.“
    „Ja.“ Ich lächelte. „Es war gut. Abgesehen von dem Teil, wo mir bewusst wurde, dass ich eine Episode hatte, war es sogar sehr gut. Aber das war noch normal. Seitdem hatte ich weitere, die ganz anders waren als alle vorherigen. Aber sie gehören alle zusammen. Ich bin immer in Johnnys Haus in den Siebzigern. Meistens ist gerade eine Party im Gange. Ich denke manchmal, es ist immer die gleiche Party, und ich schaue immer nur zu verschiedenen Zeiten rein. Auf jeden Fall ist es immer innerhalb weniger Tage oder Stunden um das gleiche Datum herum. Da sind auch andere Leute. Paul Smiths, Candy Applegate.“
    „Ach du Scheiße, du meinst die Leute aus der Enklave ?“ „Ja. Auch Ed D’Onofrio.“
    „Der Autor? Der gestorben ist?“
    „Ja, genau der.“ Ich dachte an das letzte Mal, als ich in die Dunkelheit gegangen war. Wie ich in der Küche des damaligen Johnny gestanden und zugesehen hatte, wie Ed sich selbst zerstörte. „Und Sandy.“
    „Seine erste Frau?“
    Ich verzog das Gesicht, als hätte ich etwas Fieses gegessen. „Ja. Genau die.“
    „Sie hat in Nacht der hundert Monde mitgespielt, oder? Ist sie nicht Kimmys Mutter?“
    „Ja. Die Sache ist die, Jen, und es ist wirklich verrückt: Ich hatte diese Halluzinationen über den Film, die Leute, die darin mitspielten und alles, bevor ich ihn überhaupt gesehen hatte. Ich schätze, ich muss ihn mir aus den Internetrecherchen zusammengestückelt haben.“
    „Du hast ihn vielleicht mal nachts im Fernsehen gesehen. Wie Zug der Verdammten . Vielleicht ist es lange her, und du konntest dich nicht mehr erinnern, bis du ihn jetzt wiedergesehen hast.“
    „Ja, ich schätze, so muss es gewesen sein.“ Aber die Erklärung fühlte sich nicht richtig an. „Es ist allerdings eher so, als hätte ich diese Welt erschaffen. Also Johnnys damalige Welt. Von dem Mann, der in den Filmen mitgespielt und gemodelt hat. Die supersexy Version von ihm. Und in diesen Halluzinationen reise ich in der Zeit zurück und … ficke ihn einfach bis zur