Der Duft von Orangen (German Edition)
geblieben. „Ich habe meine Termine bei der Akupunkteurin auf einmal pro Woche erhöht und bemühe mich darum, wieder regelmäßig zu meditieren. Das hilft. Zucker und Koffein helfen auch, also esse ich viele Brownies und trinke viel Kaffee.“
„Du Glückliche.“ Jen grinste.
„Ich habe noch ein paar Medikamente verschrieben bekommen, aber die nehme ich nicht gerne, weil ich mich dann immer so matschig fühle. Außerdem helfen sie sowieso nicht wirklich.“
„Ich mache dir keinen Vorwurf. Trotzdem …“ Sie nagte einen weiteren Flügel ab und säuberte sich dann die Finger an einerfeuchten Serviette. „Es tut mir leid, dass du das alles durchmachen musst. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, lass es mich wissen. Ich kann dich gerne an ein paar Abenden pro Woche von der Firma abholen und so.“
Ich wollte nicht weinen, aber ihr Angebot trieb mir Tränen in die Augen. „Danke. Glaub mir, ich hasse es, darum bitten zu müssen.“
„Hey, da ist doch nichts bei.“ Sie drehte ihren Kopf und machte eine dazu passende Handbewegung. „Ehrlich nicht.“
Ich lachte schwach. „Es ist nur … es ist wegen Johnny.“
„Stört es ihn?“ Sie schenkte mir einen mitfühlenden Blick. „Er benimmt sich doch deswegen nicht wie ein Arsch, oder?“
„Nein, ganz im Gegenteil. Er ist einfach fabelhaft. Zu gut sogar, um ehrlich zu sein. Wenn du glaubst, ich hasse es, dich zu bitten, mich zu fahren, stell dir mal vor, wie sehr ich es hasse, mich auf ihn verlassen zu müssen, obwohl er es angeboten hat. Vor der Dinnerparty, meine ich. Er … er hat sogar darauf bestanden.“ Ich nahm noch einen Schluck Bier. „Er weiß von den Episoden.“
Ich hatte ihr die Geschichte mit den Keksen erzählt, aber den Teil ausgelassen, in dem ich nackt in meinem Hausflur kniete. Auch dass Johnny mir meine Sachen zurückgebracht hatte, wusste sie nicht. Jetzt erzählte ich ihr davon und endete mit dem Abend, an dem ich in die Galerie gegangen war und er mir versichert hatte, dass nichts Schlimmes vorgefallen war.
„Wow“, sagte sie nach einer Weile des Schweigens. „Wie kommt es, dass du mir bisher nicht davon erzählt hast?“
„Weil es mir peinlich ist“, sagte ich tonlos. „Einige Geschichten sind nicht leicht zu teilen. Tut mir leid.“
Sie winkte ab. „Das ist doch nicht schlimm, wie oft muss ich dir das noch sagen? Ich meine, es hätte die Geschichten ein Fitzelchen interessanter gemacht, aber ich verstehe, warum du es mir nicht früher erzählt hast. Also weiß er quasi von Anfang an davon und ist trotzdem noch bei dir.“
„Ja.“ Ich atmete tief durch. „Aber da gibt es noch mehr. Etwas, das er nicht weiß.“
Sie hob beide Augenbrauen und beugte sich vor. „Ach ja?“
Ich nickte. „Wenn ich in die Dunkelheit gehe, habe ich manchmal Halluzinationen. Sehr lebendige, reale Halluzinationen.“
„Wow.“ Jen sah mich gebannt an. „Erzähl mir mehr.“
„Direkt nach dem Unfall, als ich im Koma lag, hatte ich bereits sehr intensive Träume über viele Dinge. An die meisten kann ich mich noch erinnern, obwohl sie ziemlich durcheinander sind. Versatzstücke und zufällige Fetzen. Ich habe viel von dem Doctor geträumt …“
„Klingt logisch, immerhin warst du im Krankenhaus.“
Ich lachte. „Nein, nicht von den Ärzten im Krankenhaus. Vom Doctor .“
„Von welchem Doktor?“
„Von Doctor Who.“
„Huh?“
Ich lachte wieder. „Nein, Doctor Who. Die Science-Fiction-Serie aus dem Fernsehen. Er trägt einen langen, gestreiften Schal. Es gibt auch eine neue Fassung. Sagen dir ‚Daleks‘ etwas? ‚Tardis‘?“
„Ah, stimmt. Ich hab davon gehört, die Serie aber nie gesehen. Du hast also von Doctor Who geträumt.“
„Und von seinem langen, gestreiften Schal“, sagte ich und erinnerte mich wieder. „Er trug einen langen dunklen Mantel und einen langen gestreiften Schal.“
„Hey, Johnny trägt einen langen dunklen Mantel und einen langen gestreiften Schal“, warf Jen ein.
Ich sah sie an. „Ja, ich weiß.“
„Du meinst, wegen deiner Träume als Kind hast du dich in ihn verliebt?“
„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. „Das ist reiner Zufall. Es ist nur so, dass ich mich aus meiner Krankenhauszeit daran erinnere. Als ich wieder nach Hause durfte, wurde ich ziemlich oft ohnmächtig, manchmal mehrmals pro Tag, meistens aber einmal die Woche. Im ersten Jahr danach beschränkte es sich dann auf einmal im Monat. Ich habe viel in der Schule versäumt, den Stoff aber den Sommer über aufgeholt,
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