Der Duft von Orangen (German Edition)
hinweg. Mächtig und schnell und ohne Gnade. Ich drohte, unter seiner Kraft zusammenzusacken, aber Johnny hielt mich aufrecht. Als ich kam, öffnete ich meine Augen und schaute Johnny an. Er lächelte nicht. Sein Blick war dunkel und erhitzt, seine Wangen gerötet, die Lippen geöffnet und feucht von unserem Kuss.
Als die Gefühle abebbten, merkte ich, dass sich meine Finger in seiner Schulter verkrallt hatten. Ich ließ los. Die Nachbeben durchliefen meinen Körper, als er seine Finger aus mir herauszog und ich zu spät bemerkte, dass ich auf Zehenspitzen stand. Mit weichen Knien stellte ich mich auf die flachen Füße.
„Wow.“ Mehr konnte ich nicht sagen.
Ich hob mein Gesicht, um ihn noch einmal zu küssen, doch er drehte seinen Kopf ein winziges Stück, sodass meine Lippen seine Wangen berührt hätten, wenn ich hartnäckig genug gewesen wäre, mein Vorhaben durchzuziehen. Doch das war ich nicht. Dieses Mal war ich klug genug, mir rechtzeitig Einhalt zu gebieten.
„Tut mir leid“, sagte Johnny und schob mich vorsichtig von sich. „Ich kann nicht.“
Dann stand er auf und ging einfach.
16. KAPITEL
I ch denke, ich brauche vielleicht auch einen neuen Koffer“, fuhr Mom mit unserer Unterhaltung fort, auf die ich mich schon seit zwanzig Minuten nicht mehr konzentrieren konnte.
Aber das machte nichts. Sie war zufrieden damit, von ihrer bevorstehenden Kreuzfahrt zu erzählen, während wir gemeinsam durch die Einkaufspassage schlenderten und ich ab und zu ein „Hm-hm“ von mir gab, sobald sie stehen blieb und so tat, als erwarte sie eine Meinung von mir. Ich hätte allerdings wissen müssen, dass ich ihr nichts vormachen konnte. Sie wartete nur auf den richtigen Moment, um mich auszuquetschen, und es stellte sich heraus, dass der bei einer Portion Frozen Yoghurt gekommen war.
„Also“, sagte sie und steckte ihren Löffeln in den Berg aus Vanille und Beeren. „Was ist los?“
Ich hatte einen Becher mit Schokolade und Toffee vor mir, aber bislang hatte ich noch nicht davon gekostet. „Hm?“
„Emmaline“, sagte meine Mutter warnend. „Ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Sprich mit mir.“
Ich öffnete den Mund, um ihr alles zu erzählen. Von den Episoden, den Situationen mit Johnny – natürlich nur in einer wesentlich entschärften Version. All das wollte plötzlich aus mir hervorsprudeln, doch dann fiel mein Blick auf die Tüten zu ihren Füßen, und ich schluckte jedes einzelne Wort herunter.
Meine Mom würde mit meinem Dad auf eine Kreuzfahrt gehen. Ein Urlaub ohne mich, der erste überhaupt in ihrer Ehe. Ich kannte meine Mom gut genug, um zu fürchten, dass ein einziger Satz von mir reichen würde, damit sie die Reise absagte. Deshalb sagte ich nichts.
Außer: „Ach, nur ein wenig Ärger mit den Jungs, Mom.“ Sie strahlte. „Wirklich?“
Ich musste lachen, obwohl es mir im Herzen wehtat. „Könntest du deine Freude bitte ein wenig dämpfen?“
„Ärger mit Jungs bedeutet aber doch, dass es da einen gibt.“ Sie leckte genüsslich ihren Löffel ab.
„Du tust gerade so, als hätte ich noch nie einen Freund gehabt.“
„Seit deinem Auszug hast du zumindest keinen mehr erwähnt.“
Ich ließ meinen Löffel in dem Becher kreisen und machte aus dem ehemals gefrorenen Joghurt eine Suppe. Ich hatte keinen Appetit, nahm aber trotzdem einen Löffel, weil ich wusste, nichts ließ die Alarmglocken meiner Mutter schneller schrillen, als wenn ich nichts aß. Ich zuckte mit den Schultern.
„Also erzähl mir davon.“
„Nun ja, zum einen ist er kein Junge.“
Meine Mom schwieg einen Moment, und als sie sprach, klang ihre Lockerheit gezwungen. „Ist es … ein Mädchen?“
Ich lachte aus vollem Herzen. „Nein, nein.“
„Oh. Okay. Es ist nur, du erinnerst dich an Gina Wentzel, oder? Ich denke, sie war eine oder zwei Klassen über dir. Ihre Mutter arbeitet bei Weis Markets.“
Ich wusste, wenn ich nur lange genug warten würde, bekäme die Geschichte noch einen Sinn. „Ja. Ich kenne sie. Sie war Cheerleaderin.“
„Und eine Lesbe.“
Ich lachte wieder. „Oh Mom.“
„Das stimmt. Ihre Mutter hat es mir selbst gesagt. Sie sagt, sie ist mit einer Frau zusammen, die sie in ihrer Zeit in Arkansas kennengelernt hat.“
„Weil Arkansas voller Lesben ist?“, fragte ich nach einer kurzen Pause, in der ich vergeblich versucht hatte, die Puzzleteile richtig aneinanderzulegen.
„Ich habe keine Ahnung“, antwortete meine Mutter. „Ich hab nur wiederholt, was ihre Mutter mir erzählt
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