Der Duft von Tee
mit dem Preis runter, wenn du ihm und seinem Kumpel das Mittagessen stellst.« Pete zeigt mir das Angebot. Ich lächle.
»Ist das sein Ernst? Für den Preis bekommt er auch noch Kaffee und Frühstück dazu.« Ich drücke ihm zum Dank herzlich den Arm.
Etwas zerbricht in der Küche. Alle, sogar Yok Lan, blicken auf. Die Tür schwingt auf, und Gigi stürmt so schnell, wie es ihr Bauch erlaubt, aus dem Café. Rilla folgt ihr. Ich sehe Yok Lan an, doch sie zuckt mit den Schultern und liest weiter in ihrer chinesischen Zeitung.
»Was war denn das?«
Rilla seufzt und streckt die Hand aus, in der ein kaputtes Handy liegt, zerbrochenes, mit Strasssteinen besetztes Plastik. Ich will Gigi hinterherlaufen, doch Rilla hält meinen Arm fest.
»Lass sie. Es ist wegen ihrem Freund. Er hat angerufen, und sie haben sich wieder gestritten.«
Wir beobachten, wie Gigi, so schnell sie kann, die Straße hinunterwatschelt.
»Der Typ klingt nach einem echten Versager«, sagt Marjory und schüttelt den Kopf.
»Ist er auch. Ein nutzloser Vater«, stimmt Rilla zu.
»Arme Gigi.«
»Es wird nicht mehr lange dauern, bis das Baby kommt«, murmle ich.
Langsam beruhigt sich alles. Der Duft der kühlen Brise und des Mandelpulvers umweht uns.
Rilla atmet tief durch und lächelt. »Also, wir haben eine Idee für ein neues Macaron.« Ihre dunklen Augen glänzen in ihrem kleinen, runden Gesicht.
»Ihr habt euch also tatsächlich geeinigt?«
»Natürlich«, sagt sie. »Und sie ist gut.«
Un Petit Phénix wird mit dem Wiederaufbau des Lillian’s geboren, das jetzt mit der neuen Tapete, den neuen Fenstern und den reparierten Stühlen noch schöner als vorher ist. Es ist ein Zimt-Macaron mit einer Ganache aus dunkler Chilischokolade. Das Resultat ist verblüffend delikat – würzig, süß und mit einem langen Nachgeschmack wie eine Tasse heißer aztekischer Schokolade. Es schmeckt am besten zu einem starken Espresso.
In der folgenden Woche wache ich zu früh auf, die Träume von Mama und Paris verlassen nur langsam meinen verschlafenen Kopf. Pete ist zurück ins Schlafzimmer gezogen, liegt jedoch in respektvollem Abstand nahe der Bettkante. Ich strecke die Hand nach seinem Rücken aus, um mich zu beruhigen. Er bewegt sich im Rhythmus seines Atems, ein und aus, wie kühle Wellen an einem Ufer. Ich schließe die Augen, will unbedingt wieder einschlafen, doch ich spüre einen pulsierenden, ziehenden Schmerz im Unterleib. Ich lege die Hand darauf. Lichter wandern über die Decke, die Scheinwerfer der Autos, die zu so früher Stunde unterwegs sind. Ich möchte einen Vogel singen hören, der den neuen Tag feiert, doch stattdessen sind da nur Autohupen und Rolltore, die laut in den Schienen kreischen.
Ich stehe auf und gehe ins Bad; vielleicht habe ich etwas gegessen, das mir nicht bekommen ist. Pete stöhnt und bewegt sich im Schlaf.
Ich spüre ein Ziehen zwischen meinen Beinen; zögernd spreize ich sie und spähe in die Toilettenschüssel. Ein Fleck breitet sich aus. Blut trifft auf Wasser, kräuselt sich wie Farbe, die von einem Malerpinsel tropft. Ich starre darauf, blinzle den Schlaf aus meinen Augen. Das Wasser wird langsam rosa, dann rot.
»Alles okay?«, ruft Pete.
Hinten im Schrank steht eine alte Schachtel mit Tampons, vier sind noch darin. Ich führe einen ein und stelle mich vor das Waschbecken. Der Arzt hat gesagt, dass ich möglicherweise noch ein oder zwei Perioden bekommen werde. Nicht genug, um wieder Hoffnung zu schöpfen. Nur die letzten Aufschreie meines Körpers, wie eine Abschiedsrede auf einer Pensionierungsfeier. Mein Spiegelbild starrt zurück, plötzlich sehe ich alles klar und scharf. Ohne Make-up wirke ich älter. Zwei oder drei silbrige Strähnen sind in meinem roten Haar, mein Gesicht ist blass und erschöpft. Die Haut auf meinen Wangen ist trocken, Falten haben sich um die Augen gebildet. Ich seufze resigniert, mein Atem verlässt den Körper in einem langen, warmen Luftzug.
»Gracie?« Pete öffnet die Tür.
Der Beweis dafür, dass ich älter werde, ist noch in der Toilettenschüssel. Er sieht es sofort, und sein Blick wandert wieder zu mir.
»Der Arzt hat gesagt, dass das passieren kann«, sage ich leise.
Er nimmt meine Hand und drückt sie. Ich ziehe ihn an mich, lehne mich gegen seine Brust, die nach Schlaf und frisch geschlagenem Holz riecht. Er schlingt die Arme um mich. Es ist eine Befreiung, in seinen Armen zu liegen, als hätte ich in Scherben gelegen und würde langsam wieder zusammengesetzt. Die
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