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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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ineinandergerutscht und in einer Ecke zum Liegen gekommen. Als ich einen Schritt auf die Tür zu mache, legt Rilla mir die Hand auf den Rücken.
    »Alles klar?«
    Ich nicke, dankbar für ihren Beistand.
    Als ich die Tür öffne, strömt mir zur Begrüßung das Wasser entgegen. Ein trauriger Wind pfeift durch das Café; das Küchenfenster ist offenbar auch kaputt. Ich frage mich, wie es um die Öfen, den Kühlschrank und den Lagerraum bestellt ist. Die ganzen Macarons, die wir gemacht haben. Das Mandelpulver. Die Gläser. Das Besteck. Ein beunruhigend feuchter Geruch erfüllt die Luft. Die anderen folgen mir und wir stehen zu viert zwischen Tischen und Stühlen, bis zu den Knöcheln im Wasser, und sehen uns um. Eine dumpfe Trauer steigt in mir auf.
    Dann atmet Gigi schnell und hörbar ein und streckt den Arm aus. »Seht euch das an.«
    Unsere Blicke folgen ihrem Finger, der auf die Wand neben der Theke zeigt. Dort, direkt neben der Espressomaschine und der Kasse, hängt das Poster, das Yok Lan mir geschenkt hat. Der Rahmen ist unbeschädigt, das Glas nicht zerbrochen. Gerade und stolz hängt es an der Wand. Die Kinder tanzen noch immer in den herumwirbelnden Flammen und Funken.

Un Petit Phénix – Ein kleiner Phönix
    Zimt mit einer Ganache aus dunkler Chilischokolade
    Ende Oktober werden wir das Schild endlich wieder entfernen können:
    KAFFEE UND KUCHEN NUR ZUM MITNEHMEN!
    DAS LILLIAN’S MACHT BALD WIEDER AUF!
    DIE TAIFUNSCHÄDEN WERDEN ZURZEIT REPARIERT!
    Rilla hat die Ausrufezeichen hinzugefügt; wahrscheinlich denkt sie, dass es so fröhlicher aussieht. Gigi hat es für uns ins Chinesische übersetzt. Der Straßenverkauf läuft überraschend gut, die Stammkunden kommen weiter vorbei, stehen auf dem Bürgersteig, sehen den Reparaturarbeiten zu und verbreiten dabei den neuesten Klatsch. Wer mit wem ins Bett gegangen und wer betrunken auf der Straße eingeschlafen ist. Pete scheint bei allen Sekretärinnen und Assistentinnen der Stadt Werbung gemacht zu haben, denn ständig kommt jemand im Firmenwagen vorbei, um Kaffee und Kuchen für irgendwelche Arbeitsbesprechungen zu holen und sich dabei noch Pralinen für den Eigenbedarf einpacken zu lassen. Es ist eine sehr aufreibende Zeit. Das Café sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Ich fühle mich total verunsichert, als wäre der Taifun auch durch mich hindurchgestürmt und hätte mich in meinen Grundfesten erschüttert. Mein Herz, meine Wünsche, meine Geheimnisse, Mama. Als müsste ich noch einmal ganz von vorn anfangen. Ich träume von fallenden Bomben, von Flugzeugen, die in Glaswände krachen, ich träume, dass mir die Zähne ausfallen. Pete bringt mir Wasser, wenn ich frühmorgens zitternd und schweißbedeckt aufwache.
    Gigi und Rilla versuchen mich aufzumuntern. Sie tun so, als wäre alles beim Alten. Diskutieren über verschiedene Kuchen, streiten wie ungezogene Schwestern, kichern und singen in der Küche. Rilla hat sogar ein paar Freundinnen zusammengetrommelt, die uns dabei helfen, die Böden zu säubern und die schlimmsten Schäden zu beseitigen. Sie haben alle die gleiche kaffeebraune Haut und das gleiche liebenswürdige Lächeln wie Rilla. Sie lachen und arbeiten ganz entspannt, nennen mich und Gigi »Ma’am« und Rilla »Boss«. Sie ist mir eine so große Hilfe, dass meine Gewissensbisse darüber, wie ich sie behandelt habe, immer größer werden. Während ich für alle Sandwiches und Getränke bereitstelle, beobachte ich, wie sie der Mannschaft mühelos in ihrer Muttersprache Anweisungen erteilt – wie eine Frau, die schon so manches Chaos und manche Krisen gemeistert hat. Trotz der Nässe, den chaotischen Arbeitsbedingungen, den Überstunden und dieser unausgesprochenen Sache zwischen uns ist ihr Lächeln breiter denn je. Ihr Selbstvertrauen ist gewachsen und umgibt sie wie ein warmes Licht.
    Das Lillian’s nähert sich seiner Wiedergeburt, Macao schleicht dem Herbst entgegen. Der Wind wird kälter und beißt in die nackten Knöchel. Eines Morgens, als sich meine Nerven wieder beruhigt haben und der Himmel frisch und klar ist, schlägt Marjory vor, ein neues Macaron zu kreieren, das uns Glück bringen und »Limonade aus Zitronen machen« soll, wie sie es ausdrückt. Schon bald stecken Gigi und Rilla in der Küche die Köpfe zusammen und diskutieren über Aromen und Namen und verschiedene Ideen. Ich höre zu und greife hin und wieder in die Debatte ein. Rilla hat eine ganze Reihe von

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