Der Duft von Tee
Vorschlägen.
»Schokolade?«
»Langweilig.«
»Erdbeere?«
»Noch schlimmer.«
»Zitrone?«
»Bäh, ich hab Zitrone so satt. Das ist so … cupcakemäßig. Wir brauchen etwas Einzigartiges, etwas Stilvolles.« Gigi sieht nachdenklich zur Decke auf. »So was wie … gesalzene Pflaume.«
Rilla bricht in Gelächter aus. »Das klingt ja ekelhaft.«
»Weil du keine Fantasie hast. Das ist japanisch «, erwidert Gigi. Sie sieht dieser Tage ziemlich abgespannt aus, hat dunkle Ringe unter den Augen. Wahrscheinlich ist sie erschöpft von den schlaflosen Nächten, sie kann die Schwangerschaft inzwischen nicht mehr ignorieren. Sie fasst sich an den Bauch und lehnt sich zurück. Sodbrennen.
Jetzt mische ich mich ebenfalls in die Debatte ein. »Gesalzene Pflaume ist ein bisschen sehr gewagt für das Lillian’s. Tut mir leid, Gigi.«
Sie wirft mir einen vernichtenden Blick zu.
Pete steckt den Kopf in die Küche und sieht mich an.
»Hallo«, lächle ich.
»Hallo. Ich habe den Tapetenfritzen mit den Musterbüchern mitgebracht.«
Ich überlasse die Mädchen ihrer Diskussion. Im Café sitzt Marjory über die kleinen, weißen Mah-Jongg-Steine gebeugt. Yok Lan sitzt ihr gegenüber und gibt ihr auf Kantonesisch Unterricht. Marjory tut ihr Bestes, um aus ihrer Tonlage und ihren Gesten schlau zu werden, doch Mah-Jongg ist unglaublich schwierig zu erlernen – vor allem in einer anderen Sprache.
Die Tapetenmuster sind wunderschön. Der Lieferant spricht fließend Englisch. Er hat für diverse Kasinos in Macao gearbeitet, die Qualität ist dementsprechend hoch. Ich spüre, wie sich meine Brust entspannt, meine Schultern sich lockern. Bald werden die Wände hier wie in einem echten Pariser Café aussehen. Marjory tritt hinter mich und schaut mir über die Schulter, während ich die endgültige Entscheidung treffe. Mintgrün mit goldenen Schwertlilien; die Tapete sieht aus wie ein schöner indischer Sari. Zu dem schwarz-weißen Boden wirkt sie sensationell. Pete nimmt den Lieferanten zur Seite, um über Preis und Lieferdatum zu verhandeln.
»Ist das die Tapete, für die du dich entschieden hast?«, fragt Marjory.
Ich nicke.
»Gefällt mir. Besser als die alte.«
»Da hast du wohl recht«, sage ich.
Aus der Küche sind laute Stimmen zu hören, und Marjory dreht den Kopf zur Tür.
»Ich habe die beiden nach ihrer Meinung gefragt, doch Gigi ist wohl grade auf Krawall gebürstet. Da sollen sie sich lieber über ihre Macarons streiten.«
Marjory lacht. »Rilla hält sie schon in Schach.«
»Rilla hält uns alle in Schach«, stimme ich ihr zu. »Sie hat mir in den letzten Wochen das Leben gerettet. Vor allem, weil sie ihre Freundinnen zum Helfen abkommandiert hat. Ohne sie ständen wir vermutlich noch immer knöcheltief im Wasser.«
»Sie respektieren sie, wegen allem, was sie für sie getan und was sie durchgemacht hat. Sie ist ein richtiges kleines Energiebündel«, sagt Marjory.
»Was meinst du mit ›wegen allem, was sie durchgemacht hat‹?«
Marjory runzelt die Stirn. »Hat sie nie mit dir über Jocelyn gesprochen?«
Mein Herz wird ein wenig schwerer. »Sie hat es einmal versucht, aber ich schätze, es war nicht der richtige Zeitpunkt. Wir hatten so viel zu tun …« Ich weiß, dass das nur die halbe Wahrheit ist.
Marjory sieht auf ihre Schuhe hinunter, vielleicht spürt sie meine Verlegenheit. »Sie soll es dir selbst erzählen, finde ich. Ich mag nicht über die Vergangenheit anderer Leute reden.«
Ich fühle diesen vertrauten Knoten aus Scham in meiner Kehle. »Ich hätte nicht an ihr zweifeln dürfen, oder?«
Marjory legt den Kopf schief und lächelt mich an. »Es ist dein Café, Grace. Du musst das tun, was du für richtig hältst. Es sind deine Gewinne und deine Verluste. Davon einmal abgesehen gehe ich davon aus, dass du damals selbst einige Probleme hattest.«
Ich höre Pete mit dem Lieferanten über den Auftrag diskutieren. Wie viele Tage? Wie viele Arbeiter? Wir sehen beide zu ihm hinüber, und er scheint unsere Blicke zu spüren, da er hinter seinem Rücken die Daumen hochstreckt. Dann schüttelt er dem Mann die Hand, und der Lieferant geht und bringt dabei die neue Glocke über der Tür zum Klingeln. Ich gewöhne mich langsam an diese neue Beziehung zwischen Pete und mir. Sie ist noch nicht völlig repariert, aber auch nicht total zerrüttet. Wir sind zumindest wieder nett zueinander. Wir sind Freunde.
Pete kommt zu uns herüber. »Also, er sagt, dass er zwei Tage braucht. Er geht um zehn Prozent
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