Der Duft von Tee
fast das Herz stehen geblieben. Sie ist sozusagen die Everestbesteigung des Amateurbäckers. Eine zarte, rosa Torte in vier Stöcken, abwechselnd rechteckig und rund, über und über mit kleinen Macarons bedeckt. Die Torte wird von einer kleinen Porzellanschale mit einem einzelnen Macarongekrönt. Seit Gigi ihr Baby bekommen hat, habe ich mir das Bild jeden Tag angesehen und überlegt, wie ich sie nachbacken kann. Es war nicht einfach, aber ich habe es geschafft – die wundervolle Torte ist fertig, mit einem schönen Eierbecher anstatt der Porzellanschale.
Pete geht um den Kuchen herum, als würde er ein Ausstellungsstück in einem Museum betrachten. Er hat die Hände tief in den Taschen vergraben, als müsste er sich daran hindern, sie anzufassen.
»Sie ist atemberaubend, Grace.«
»Findest du?«
»Ja, sie ist wirklich … atemberaubend«, wiederholt er. Er wendet sich von der Torte ab und mir zu, den Kopf leicht schräg. »Du bist ziemlich gut, oder?«, sagt er ruhig.
Ich blicke wieder zu der Torte, die an französische Architektur erinnert. »Ja, ich bin gut.« Unwillkürlich strahle ich übers ganze Gesicht.
Pete zieht die Hände aus den Taschen, und ich bemerke, dass er eine rote Tüte in einer Hand hält.
»Was ist das?«
»Ach …«, er zuckt mit den Schultern. »Nichts Besonderes.« Er legt die Tüte auf die Theke. »Ich habe das schon vor einiger Zeit gekauft. Habe ich in einem Geschäft gesehen.« Er zieht ein Stofftier aus der Tüte, das weich und flauschig in seinen Händen liegt – ein kleines, graues Nashorn mit schlaffen Gliedern, zwei beigefarbenen Hörnern und beschwerten Füßen. Es hat einen kleinen Stumpf als Schwanz und ein offenes Lächeln, was ihm ein leicht verschlafenes Aussehen gibt. »Vielleicht ist das mehr was für einen Jungen? Ich weiß es nicht. Es ist … niedlich, oder?«
Ich nehme das Nashorn in die Hand und sehe meinen Mann an. Er hat sich rasiert, was er an den Wochenenden sonst nie tut, und presst die Lippen über den Zähnen zusammen.
»Es ist süß. Ich denke, es wird ihr gefallen«, sage ich zärtlich. Wie attraktiv er doch sein kann, das frische Gesicht über dem ordentlich gebügelten blauen Kragen.
Marjory, Don und Rilla treffen zusammen ein. Marjory hält einen mit Helium gefüllten Ballon in der Hand, auf dem in violetten Buchstaben Es ist ein Mädchen! geschrieben steht. Rilla hat eine durchsichtige Plastikschachtel mit gestrickten Babyschuhen dabei.
Die Schreie ihres Babys kündigen Gigis Ankunft an. Yok Lan folgt ihr langsam. Gigi hält das Kleine an die Brust gedrückt, sie sieht müde und ein wenig benommen aus. Mir verschlägt es den Atem, die beiden zu sehen. Eins und eins macht zwei. Unsere Gigi, jetzt ist sie Mutter.
»Entschuldigung, wir sind spät dran«, sagt sie über den Kopf des schniefenden Babys hinweg. »Sie wollte nicht aufhören zu weinen.«
Yok Lan steht unter einem Strauß aus Ballons und grinst wie ein kleines Kind. » Ho leng «, ruft sie. »Sehr schön«, übersetzt Pete.
»Ja, das sieht toll aus, Grace«, stimmt Gigi zu.
»Setzt euch doch. Ich hole Tee und Kaffee«, sagt Pete.
Rilla schnappt sich das Baby, wiegt es und beruhigt es leise, während Don und Marjory mit Gigi reden. Ich habe Gelegenheit, Gigi eingehend zu betrachten; sie trägt ein langes, abgetragenes T-Shirt, eine Jogginghose und violette Flipflops. Ihr Haar ist zu einem Pferdeschwanz gebunden und leicht fettig. Ihre Haut ist blasser als sonst, auf den Wangen sieht man helle, kaffeebraune Sommersprossen. Mir fällt auf, dass sie nicht ihre übliche dicke Schicht Make-up trägt, um sie abzudecken.
Marjory überreicht Gigi ein paar Ohrringe, wie sie selbst welche trägt; kleine, goldene Kreolen. Gigi lächelt und umarmt sie. Das Baby hört kurz auf zu weinen, und Pete stellt die Tassen auf den Tisch.
»Kommen noch mehr Leute, Gi? Deine Freundinnen?«, frage ich, schaue aus dem Fenster und rechne fast damit, eine Horde dunkelhaariger junger Frauen in leuchtenden Kniestrümpfen und knappen Tops zu sehen.
Gigi schüttelt den Kopf. Sie hat dunkle Ringe unter den Augen und vorne auf ihrem T-Shirt einen kleinen Fleck.
»Was ist mit deiner Mutter? Sollten wir nicht warten?«
»Ma kommt nicht«, sagt sie ein bisschen zu schnell.
Marjory wirft mir einen Blick zu, sagt aber nichts. Sie legt den Arm um Gigi und streichelt ihre Schulter. Fast unmerklich lehnt Gigi sich in die Berührung.
»Möchtest du sie mal halten, Grace?«
Jetzt sehe ich mir das Baby genauer an. Ich
Weitere Kostenlose Bücher