Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
Vom Netzwerk:
heben. »Es tut mir leid, Grace, Sir. Ich bin zum Lillian’s gegangen, um zu sehen …«
    »Du bist zum Lillian’s gegangen?«
    »Um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Dann sind die Busse nicht mehr gefahren, und ich konnte nicht mehr nach Hause. Ich wusste, dass du in der Nähe wohnst …« Ihr Gesichtsausdruck ist eine einzige Entschuldigung.
    »Oh, Rilla«, flüstere ich.
    »Ein paar Sachen sind zerbrochen, die Fensterscheiben sind zerschlagen. Und … das.«
    Sie zieht ihre Regenjacke unter dem Handtuch hervor, die wie ein Paket gefaltet ist. Sie faltet sie auseinander. Das Caféschild ist zerbrochen. Ich spüre einen unerwarteten Schmerz in der Brust, als ich die einzelnen Teile sehe. Ich hole tief Luft, und Rilla sieht mich mit großen Augen an.
    »Nicht so schlimm«, sagt sie, während ihr Blick zwischen Pete und mir hin und her huscht. »Das lässt sich alles reparieren. Nur kaputte Fenster und ein bisschen Wasser auf dem Boden, kein Problem. Macao ist ein sicherer Ort, hier plündert oder stiehlt niemand.« Ihre Augen werden von nassen Wimpern eingerahmt, ihre Stirn liegt in Falten. Angesichts ihrer Besorgnis fühle ich mich schuldig und bin gleichzeitig dankbar.
    »Grace? Das wird schon wieder«, flüstert Rilla mir zu.
    Ich schüttele den Kopf. »Dass du in so einem Taifun durch die Gegend spazierst, ist viel schlimmer.« Ich beiße mir auf die Lippen. Draußen pfeift und heult der Wind. Ich lege meine Hand auf ihr nasses Knie. »Rilla, es tut mir so leid. Ich habe versucht, dich anzurufen …« Pete steht auf, nimmt ihr das zerbrochene Schild aus der Hand und greift nach Rillas leerer Tasse. Er geht in die Küche, um ihr nachzufüllen, und lässt uns allein. Wie bin ich nur auf die Idee gekommen, dass sie mich bestehlen oder aus unserer Freundschaft Kapital schlagen könnte? Scham steigt in mir auf, und meine Stimme zittert.
    »Rilla, würdest du bitte zurück ins Lillian’s kommen? Wir brauchen dich so sehr.«
    »Oh.«
    »Wenn du nicht schon einen anderen Job hast …«
    »Nein. Ich habe keinen anderen Job.«
    Wir sitzen eine Weile schweigend da und sehen einander an, bevor sie murmelt, »Grace, ich glaube, ich schulde dir eine Erklärung – wegen dieses Morgens.«
    Ich erstarre vor Verlegenheit, als sie mich mit ihren ernsten Augen ansieht. Doch dann kommt Pete mit dem frischen Tee zurück, und ich bin ihm für die Unterbrechung dankbar.
    »Macht euch keine Sorgen, ihr zwei«, sagt er. »Alles wird gut. Ihr werdet im Nu wieder Macaronsbacken.« Er sieht Rilla an. »Und du wirst hier warten, bis dieser Taifun vorbei ist. Im Gästezimmer sind noch mehr Handtücher, und Grace wird dir gerne was zum Anziehen borgen, nicht wahr, Grace?«
    Ich nicke, die Hand noch immer auf Rillas Knie.
    »Wirklich?«, fragt Rilla. »Ist das in Ordnung?« Sie sieht mich an.
    »Natürlich«, sage ich. »Bitte, bleib.«
    Am nächsten Morgen sind wir nicht die Ersten vor dem Lillian’s. Marjory sitzt bereits mit Gigi auf dem Bürgersteig, deren runder Bauch die untere Hälfte ihres Körpers dominiert. Um sie herum liegen feuchte Trümmer, Teile des Fensterbretts und zerbrochene Glasscherben, die wie Diamanten funkeln. Rilla hilft Gigi sich aufzurichten. Gigi stöhnt über das Gewicht ihres Bauchs, grinst Rilla jedoch breit an und hält ihre Hand, die sie schwesterlich drückt, länger als nötig. Sie trägt ein graues Schwangerschaftskleid über ihrer schwarzen Jeans. Sie hat kein Make-up aufgelegt, keine dicke Mascaraschicht auf den Wimpern.
    »Du bist zurück«, sagt Marjory und lächelt Rilla an. »Wir haben dich vermisst.«
    »Verdammt, Grace. Das Lillian’s ist ein Schrotthaufen«, sagt Gigi mit ihrer für sie charakteristischen Offenheit.
    Mein Blick schweift über das Lillian’s. Obwohl ich weiß, dass die Versicherung für die Reparaturen aufkommen wird, erfüllt noch immer tiefe Sorge meine Kehle und meine Brust. Der Pfosten, an dem das Schild festgemacht war, ist verbogen, die Ketten, an denen es hing, schaukeln wie trunken in der leichten Brise. Die Vorderfenster sind zerbrochen, obwohl eins noch hartnäckig im Rahmen hängt. Das Glas hat sternförmige Sprünge. Ein Teil des Fensterahmens sitzt lose in der Verankerung, und in den tiefen Rissen haben sich Blätter verfangen. Selbst von außen kann ich sehen, dass der Boden überschwemmt ist und die Tischbeine im Wasser stehen. Ein Tisch ist umgekippt, die Platte zerbrochen. Die Stühle hat es an die gegenüberliegende Wand gedrückt. Die anderen Tische sind

Weitere Kostenlose Bücher