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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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Das bedeutet ›Der Traum eines Engels‹.« Sie neigt interessiert den Kopf, und ich zucke mit den Schultern. »Ein hoffnungslos romantischer Name, ich weiß. Aber ich konnte einfach nicht anders.«
    »Was ist da drin?«, fragt sie verschwörerisch.
    »Das ist ein Macaron aus weißer Schokolade. In der Mitte ist eine Ganache, eine Art Schokoladencreme. Ich habe noch etwas Zitronenschale und Zimt zugegeben, obwohl die meisten diese Aromen gar nicht durchschmecken. Es ist eine meiner neuesten Kreationen. Möchten Sie sie probieren?«
    Sie hat sich über die Theke gelehnt, nimmt das Macarongenau in Augenschein, die dunklen Augen weit geöffnet. Dann richtet sie sich energisch auf. »Ja.«
    Sie setzt sich an einen Tisch nahe am Fenster. Ich erwarte, dass sie nach einem Modemagazin greift, mit Freunden telefoniert. Doch das tut sie nicht. Sie stemmt den Ellenbogen auf den Tisch und stützt den Kopf darauf ab. Dann greift sie nach der Karte und studiert sie sorgfältig. Als ich ihr ihre Bestellung bringe, sieht sie erst auf den Teller hinunter, auf dem das einzelne Macaron liegt, und dann zu mir auf.
    »Danke. Ich bin Gigi.« Die Worte rutschen scheinbar ungewollt aus ihr heraus,.
    »Hallo Gigi. Ich bin Grace.«
    »Sie waren mal bei meiner Tante«, sagt sie. Ihre Augen mustern mit einem langen, ernsten Blick mein Gesicht. In diesem Moment erinnere ich mich an sie: im Trainingsanzug, kaugummikauend und auf einem Handy herumspielend.
    »Im Tempel …«, antworte ich langsam. Gigi war meine Dolmetscherin bei der Wahrsagerin. Wieder hat sie diesen aufmerksamen, neugierigen Blick.
    Schweigen breitet sich zwischen uns aus. Trotz ihrer Jugend liegen Skepsis und Misstrauen in ihren Augen. Als ob sie viel durchgemacht, als ob sie ziemlich viel Pech gehabt hätte. Irgendetwas geschieht zwischen uns, ich kann nicht sagen was.
    »Ich helfe da nur aus. Das ist nicht meine richtige Arbeit«, sagt sie.
    »Okay.«
    »Sie ist die Schwester meiner Mutter«, fügt sie hinzu und macht einen verlegenen Eindruck, als hätte sie schon zu viel gesagt. Ich wechsle das Thema, nehme ihre Uniform ins Auge.
    »Sind Sie Croupière – ich meine … in einer Spielbank angestellt?«
    »Das war ich.« Sie wendet sich von mir ab und wieder demMacaron zu. Es ist mir zu unangenehm, sie weiter darüber auszufragen.
    »Schön, dass Sie gekommen sind.« Ich lächle und gehe zur Theke. Als ich mich wieder umdrehe, starrt sie auf ihren Bauch, die Arme darüber verschränkt. Er hat eine sanfte Rundung. Ich frage mich … doch diese Frage lässt mein Herz schwer werden. Ich verscheuche sie aus meinem Kopf, indem ich an eine Schokoladenganache denke, dunkel, süß, buttrig und glatt wie Wandfarbe. Zwei Frauen bestellen Kaffee. Es sind Freundinnen von Linda. Sie schieben sich ihre Perlmuttsonnenbrillen in die Stirn und reden über ihren letzten Shoppingtrip nach Zhuhai.
    Liebste Mama,
    was ist an jenem Tag passiert, an dem Mrs. Spencer dir gesagt hat, dass ich nie gut in Mathe sein würde? Du hast immer eine prima Geschichte daraus gemacht. Ich vermisse sie. Du musst sie mir mal wieder erzählen.
    Ich erinnere mich nur an den Teil, wo du aufstehst und so etwas wie »Was haben Sie gerade über meine Tochter gesagt, Pamela?« fragst.
    Das muss man sich einmal vorstellen – Mrs. Spencer hat einen Vornamen. Pamela. Da ist sie ins Stocken geraten, hat mit der Hand nach ihrer Kehle gegriffen, nach ihrer Perlenkette, und eine Minute lang kein Wort herausgebracht.
    »Also?«, hast du mit hochgezogenen Brauen gesagt.
    Ich kann sie direkt vor mir sehen, wie sie die Lippen schürzt und ihren ganzen Mut zusammennimmt, von den Sohlen ihrer kleinen Füße bis hin zu den Spitzen ihrer kurz geschnittenen Haare.
    »Also, Miss Raven« – mit einer missbilligenden Betonung auf dem Miss – »Grace fehlt es an Überzeugung. Es fehlt ihr an Einsatz. Wenn sie tatsächlich am Unterricht teilnehmen würde, anstatt sich in der letzten Bank zu verstecken, würde sie vielleicht auch etwas lernen.«
    Dabei ist sie auch aufgestanden. Ein Moment großen Muts für Mrs. Spencer, habe ich gedacht, weil sie dir nur bis zur Brust gereicht und das bereits gewusst hat, noch bevor sie sich von ihrem Stuhl erhoben hat. Gewusst hat, dass es dir einen Vorteil verschaffen würde, sie mit wütendem Gesicht zu überragen. Und dann kommt der beste Teil – du zögerst, dann beugst du dich zu ihr hinunter, kommst ihrem Gesicht ganz nahe. Ihrem entsetzlichen Atem; sie roch immer aus dem Mund wie ein toter

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