Der Duft von Tee
Fisch, der drei Wochen lang an eine Wand genagelt war. Du flüsterst: »Pamela, wie es scheint, wissen Sie absolut nichts über Grace. Sie ist sehr wohl voller Überzeugung. Sie spart sie nur auf. Für. Dinge. Die. Wichtig. Sind.«
Das war das Ende der Geschichte, nicht wahr? Du hast dich umgedreht und bist nie wieder zu einem Elternsprechtag gegangen. Ich habe dir die Einladungen gegeben, und du hast sie vor meinen Augen zerrissen, und wir haben beide dabei gekichert wie ein Paar Papageien.
Ja, Mama, das würde dir gefallen – wie man sieht, kann auch eine schüchterne Kellnerin wie ich entgegen der landläufigen Meinung ihr eigenes Café eröffnen. Sie kann es schaffen. Und sie kann Gewinn machen, wenn auch nur einen kleinen … vorerst.
Deine dich liebende Tochter
Grace
Cœur Curatif – Das heilende Herz
Vanille mit Himbeerstückchen und Himbeerfüllung
Gigi, die jetzt regelmäßig kommt und stundenlang bleibt, ist schwanger.
Ich kann nicht so tun, als wäre dem nicht so. Selbst Rilla ist es aufgefallen.
In einem seltenen, gesprächigen Moment flüstert sie mir zu, »Ist das gut für sie, so viel Kaffee zu trinken?«
Wir wissen beide, was sie meint, auch wenn ich ihr die Antwort schuldig bleibe. So tue, als hätte ich nichts gehört und weiter den Kühlschrank mit Milch bestücke. Unhöflich von mir, das ist mir durchaus bewusst, aber ich will nicht darüber reden. Es schmerzt, Gigis anschwellenden Bauch zu sehen, der von Tag zu Tag dicker wird. Sie versteckt ihn unter langen T-Shirts und großen Handtaschen, unter Sweatshirts, wenn es geht, doch es wird langsam wärmer, und der Sommer naht. Er ist da, der Bauch. Ob uns das gefällt oder nicht. Bei seinem Anblick wird mir so schwer ums Herz, als hätte ich Steine geschluckt.
Gigi ist normalerweise über den Kleinanzeigenteil der Zeitung gebeugt, wahrscheinlich sucht sie nach einem Job. Gewöhnlich schaut sie unter dem Make-up und dem dunklen Eyeliner finster drein. Es sei denn, sie studiert die Macarons in der Vitrine. Dann wird ihr Gesichtsausdruck weicher, ihr Ärger schmilzt auf seltsame Weise wie Butter in einer Pfanne.
Ihr Lieblings-Macaron ist das Gleiche wie meins. L’Arrivée . Diese rauchige, karamellige Süße, gemildert durch die Schärfe des Steinsalzes, die klebrige, toffeeähnliche Füllung. Ich beobachte, wie sie die Krümel mit dem Finger aufpickt und ihn anschließend ableckt. Nie lässt sie auch nur eine einzige Krume übrig.
Woche für Woche sitzt sie hier, markiert die Stellenanzeigen mit einem violetten Textmarker, der mit kleinen Cartoonmäusen bedruckt ist, und trinkt ihren Kaffee. Ich nehme an, dass sie zu den Vorstellungsgesprächen geht, aber trotzdem keinen Job bekommt. Obwohl sie wahrscheinlich Bürgerin von Macao ist und somit zu den begehrtesten Arbeitskräften auf dem angespannten Arbeitsmarkt gehört. Liegt es an ihrer Einstellung? Ihrer mangelnden Erfahrung? Oder an der offensichtlichen Wölbung ihres Bauchs? Ich versuche, nicht darüber nachzudenken, sonst spüre ich wieder diesen Anflug von Mitleid. Einmal habe ich ihr vorgeschlagen, einen Kräutertee zu probieren. Einfach so, ohne bevormundend oder mütterlich klingen zu wollen. Sie hat mich scharf angesehen und einen Cappuccino bestellt, bitte .
Doch heute war Gigi noch nicht da. Es ist überhaupt unheimlich ruhig. Rilla säubert den Milchaufschäumer und blickt dabei zerstreut aus dem Fenster. Es ist furchtbar still; selbst der Himmel scheint schlaff herunterzuhängen.
»Ein seltsamer Tag«, murmle ich, hauptsächlich zu mir selbst. Rilla nickt zustimmend und zieht die schmalen, dunklen Augenbrauen zusammen.
Wir hatten nur wenige Gäste, obwohl Yok Lan heute Morgen für ein paar Stunden auf eine Tasse Tee und drei ihrer rosa Lieblings-Macarons da war. So viel hat sie noch nie bestellt oder gegessen; Rilla und ich haben uns neugierig angesehen. Sie hat nahe der Ladentheke gesessen und uns über den Rand ihrer Teetasse angelächelt, glücklich, uns beim Arbeiten zusehen zu können. Sie ist eine Friedensgöttin, diese Frau; ich schwöre, selbst rasende Hunde oder ein stürmisches Meer würden sich in ihrer Gegenwart beruhigen.
Rilla und mir gehen die Beschäftigungen aus. Ich habe alle Salzstreuer aufgefüllt, nicht vergessen, wegen der Luftfeuchtigkeit Reiskörner hinzuzugeben. Rilla hat einen ganzen Karton Servietten gefaltet und gebrauchsfertig in ordentlichen Dreiecken gestapelt. Wir haben alle Ofenbleche geschrubbt und die Fenster geputzt. Rilla ist mit
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