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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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verstohlen um und stelle fest, dass alle anderen Gäste gegangen sind, eine kleine Pause im morgendlichen Ansturm. Ich ziehe den Stuhl ihr gegenüber zu mir. Die Beine scharren über die Fliesen. »Möchtest du darüber reden?«
    Sie senkt den Kopf, und wieder tupft sie ihre Wangen mit der Serviette ab. »Da gibt es nichts zu reden«, sagt sie und seufzt.
    Ich rühre mich nicht.
    Sie atmet fast keuchend, presst die Lippen fest aufeinander und zieht die Mundwinkel nach unten. Sie schnappt durch die Nase nach Luft, bevor sie einen leisen Schrei ausstößt. »Es ist wegen Bianca.«
    »Bianca?«
    »Mein Hund«, erklärt sie. Die Sonnenbrille macht es unmöglich, ihr in die Augen zu sehen. Ich lege mein Spültuch auf den Tisch und beuge mich leicht vor.
    »Sie ist tot. Wir mussten … also … wir mussten sie einschläfern lassen.« Sie reibt geistesabwesend über die dunklen Flecken, die ihre Tränen auf ihrem Rock hinterlassen haben, dann schüttelt sie den Kopf. »Scheiße. Entschuldigung. Das ist nicht dein Problem.«
    »Hey, hey, das ist schon okay.«
    »Ich sollte hier nicht weinen. Sorry.«
    »Es ist in Ordnung, wirklich …« Ich lege ihr die Hand auf die Schulter, und sie hebt den Kopf.
    »Es ist nicht so einfach«, stammelt sie.
    Ich drücke ihre Schulter und versuche, sie zu trösten. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
    Sie atmet tief durch und nimmt schließlich die Brille ab. Die Mascara unter den Augen ist zu einer Kriegsbemalung verschmiert. Als sie mich dabei erwischt, wie ich ihr ins Gesicht sehe, dreht sie die Serviette zu einer Spitze zusammen und fährt sich damit langsam unter jedem Auge entlang, was nicht viel bewirkt.
    Ihr Make-up ist ruiniert.
    »Warum weine ich eigentlich? Ich habe sie nicht einmal gemocht. Mein Gott, das klingt ja furchtbar. Ich bin eine schreckliche Person.«
    »Hey, das ist okay. Alles wird gut«, sage ich sanft und komme mir wenig hilfreich vor. Es ist so lange her, dass ich eine Freundin hatte, dass ich nicht weiß, wie ich sie trösten soll.
    »Ich meine … sie war wirklich der reinste Albtraum … von Anfang an … sie hatte einen Hirntumor, haben sie gesagt. Deshalb war sie wahrscheinlich auch immer so aggressiv. Sie konnten nichts machen, gar nichts.«
    »Das tut mir leid.«
    Sie lächelt mich wässrig an. »Ist schon okay. Ich bin ja auch überrascht, dass mich das so mitnimmt. Letzte Woche habe ich noch insgeheim gehofft, wir fänden endlich einen Grund, sie zurückzugeben oder … so. Manchmal war sie ein richtiges Biest. Das klingt so furchtbar, wenn man das laut ausspricht.« Sie lacht ironisch.
    Ich lasse ihre Schulter los und lege die Hände in den Schoß. »Sie schien wirklich schwierig zu sein. Ich meine, du solltest dich deshalb nicht schlecht fühlen, weißt du. Es war nicht …«
    »Mein Fehler? Ja, ich weiß. Vom Verstand her weiß ich das. Rational gesehen.« Sie schüttelt den Kopf. »Es ist nur so, dass ich heute Morgen aufgestanden bin und verschlafen, wie ich war, bin ich in ihren Napf getreten, und da habe ich mich erinnert … und da … ich hätte nicht gedacht, dass ich so reagieren würde.«
    »Ich glaube, das ist ganz normal, dass man wegen so etwas traurig ist«, sage ich.
    »Nein, ich meine, sicher, ich bin traurig. Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich mich so … so verloren fühlen würde.« Einen Moment scheint sie durch mich hindurchzusehen. »Ich war früher Tänzerin, weißt du. Oh, verdammt, erzähl das bloß nicht den Ladys, die sehen mich jetzt schon an, als wäre ich eine Nutte oder so.« Sie senkt die Stimme und zupft an ihrer Serviette herum. »Aber so war das nicht. Natürlich, ein bisschen Moulin Rouge war schon dabei, wenn du verstehst, aber wir hatten Klasse, wir waren keine Stripperinnen. Es war die beste Zeit meines Lebens, Grace. Die Welt sehen, sich betrinken, die Koffer voller göttlicher Kleider. Ich hatte das beste Leben, das ich mir vorstellen konnte, besser als die anderen Mädchen aus meiner Schule mit ihrem langweiligen Leben und ihren langweiligen Ehemännern. Igitt. Aber schließlich war ich zu alt dafür. Dann habe ich Don kennengelernt. Eine Weile war es wirklich schön, nur Ehefrau zu sein, aber jetzt, ich weiß nicht, ich fühle mich einfach …«
    Ein Teil von mir möchte die Worte aussprechen, die mir sofort durch den Kopf schießen. Leer. Verwirrt. Richtungslos.
    Sie verstummt und starrt ins Leere. Dann setzt sie sich gerade hin und sieht mich ein wenig verwirrt an. »Hey, danke für’s Zuhören. Ich

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