Der Duft von Tee
dem Milchaufschäumer fertig und macht sich daran, das Zeitschriftenregal neu zu ordnen.
Ich lege die Hände auf die Theke und stemme mein Gewicht darauf. Neben mir liegen die unverkauften Macarons in ordentlichen Reihen in der Glasvitrine. Ich beiße mir auf die Lippen, weil ich weiß, dass ich einige dieser Schönheiten werde wegwerfen müssen, wenn wir sie heute nicht mehr verkaufen. Rilla hat sich geweigert, welche mit nach Hause zu nehmen, obwohl sie die übrig gebliebenen Sandwiches mitnimmt. Ich weiß nicht, warum; vielleicht findet sie, dass die Macarons zu exotisch und zu teuer für sie sind, oder sie glaubt, dass ich etwas dagegen hätte? Kann sein, dass ich ihnen vielleicht ein wenig zu viel Wertschätzung entgegenbringe.
»Okay, Rilla. Es ist an der Zeit für eine richtige, ausgiebige Degustation«, sage ich zu ihr und werfe mir das Geschirrtuch über die linke Schulter.
»Pardon?«, sagt sie und sieht auf.
»Eine Verkostung. Wir beide machen jetzt eine Macaron-Verkostung.«
»Oh«, sie holt Luft und lächelt breit.
Nachdem ich die Macarons ausgewählt habe, gehe ich zu dem Tisch, an dem Rilla mit geradem Rücken sitzt. Ihre Augen unter dem kurzen, glänzenden Pony sind kugelrund. Ich lege Servietten vor uns hin und gieße uns von dem dampfend heißen grünen Tee ein, den sie so gerne trinkt.
»Los geht’s. Bist du bereit?«
Sie nickt, und ich muss über ihr ernstes Gesicht lachen, über den leicht verzogenen Mund.
»Gut. Beginnen wir mit Une Petite Flamme . Das ist unser Espresso-Macaron. Komm, versuch es.«
Sie sieht auf ihren Teller hinunter. »Das hier? Mit dem Gold?«
»Ja, fang an.«
Sie legt es sich auf die Zunge, als würde sie das heilige Abendmahl empfangen.
»Gut?«
Sie nickt schnell.
Dann lege ich ihr ein violettes auf den Teller.
Rilla hebt es auf. »Das ist das mit der Marmelade drin, richtig?«
»Ja, das ist Remède de Délivrance . Mit einer Füllung aus schwarzen Johannisbeeren und Sahne in der Mitte.«
Sie schließt die Augen, während sie es langsam isst. So langsam, dass ich mich frage, ob sie je damit fertig wird.
»Was heißt das?«, fragt sie, als sie schließlich den letzten Bissen hinuntergeschluckt hat.
» Remède de Délivrance? Notfallmittel. Es ist mit Veilchenaroma.«
»Das ist so gut, das hier.« Sie grinst, und ich grinse zurück. Rillas kleine Hände legen sich um eine Teetasse, deren Rand mit einer goldenen Filigranmalerei verziert ist. Draußen scheint die Welt stillzustehen, in der Schwebe zu hängen.
»Es tut mir leid, Rilla; es ist so ruhig heute, ich hätte dir den Nachmittag freigeben sollen. Ich hätte dich schon lange nach Hause gehen lassen sollen.«
»Das ist schon in Ordnung. Da, wo ich wohne, sind ohnehin zu viele Leute.« Rillas Pension beherbergt Dutzende von Arbeitern, vor allem Frauen, die ihren Lohn nach Hause in andere Länder schicken. Sie spricht nicht viel darüber, sagt nur, dass es dort etwas überfüllt ist. Pete und ich haben vier Zimmer für uns beide, und sie wohnt eingezwängt wie eine Sardine. Sie sagt, dass sie vorher in Dubai gearbeitet und dort bei ihren Arbeitgebern gewohnt hat. Auch darüber spricht sie nicht viel, aber vielleicht hatte sie dort ja ein eigenes Zimmer. Hier darf sie nicht mal Poster an den Wänden aufhängen, weil sie den Putz beschädigen könnten.
»Gefällt es dir dort nicht?«
»Es gefällt mir schon. Es ist billig, deshalb kann ich mehr Geld nach Hause schicken. Manchmal ist es lustig, die Leute reden und singen die ganze Zeit.« Rilla lacht.
Ihre entspannte Großherzigkeit verblüfft mich: Wie sie Essen mit nach Hause nimmt, um es mit ihren Mitbewohnern zu teilen, ihren Geschwistern alte Zeitschriften schickt, Geld für neue Schuhe oder Schulbücher für eine Nichte überweist. Rilla erinnert mich an eine Gerbera. Eine leuchtende, farbenprächtige Blüte mit einem überraschend starken, drahtigen Stiel.
Während ich an meinem Tee nippe, wird mir klar, dass ich Rilla um ihre starken Familienbande beneide. Obwohl ich vier Zimmer habe und sie mit Fremden in einer Pension wohnt, hat sie in gewisser Weise das, was ich mir immer gewünscht habe. Ihr fällt es leicht, freigiebig zu sein. Sie ist Teil von etwas Größerem. Sie steht nicht allein.
Entzückt probiert sie noch einige andere Geschmacksrichtungen, dann steht sie auf, greift nach dem leeren Teller und der Teetasse.
»Danke. Das war köstlich.« Sie lächelt mich an.
Summend geht sie in die Küche. Sie summt leise und falsch, und ich
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