Der Duke, der mich verführte
haben.
Prüfend blickte sie ihn an. „Wahrscheinlich würde ich mir weit weniger Sorgen machen, wenn ich gewiss sein könnte, dass du nicht bis ans Ende meiner Tage stündliche Bereitschaft von mir verlangst. Oder aber mit anderen Frauen verkehrst.“
„Es ist mir Pflicht und Ehre, diese Sorgen zu zerstreuen.“ Er hob die rechte Hand und legte sich die linke aufs Herz. „Ich gebe dir hiermit mein Wort, niemals stündliche Bereitschaft von dir zu verlangen oder mit anderen Frauen zu verkehren.“ Er ließ beide Hände wieder sinken. „Damit wäre das geklärt, wenn du keine weiteren Fragen hast.“
Justine fehlten fast die Worte. „Findest du das etwa witzig?“
„Sehe ich aus, als fände ich es witzig?“, entgegnete er. „Ich meine das völlig ernst. So, und jetzt würde ich vorschlagen, dass mein Kutscher dich nach Hause fährt.“
Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, marschierte er zur Klingelschnur und riss mehrmals heftig daran, als fürchtete er, Jefferson würde sich sonst nicht rühren. „Wenn die Freilassung deines Vaters wie geplant vonstattengeht, was ich sehr hoffe, sehe ich dich nächste Woche zur vereinbarten Zeit in der Kirche. Ich werde veranlassen, dass deine nassen Kleider gereinigt und bis dahin zu dir zurückgebracht werden. Jefferson wird sich um einen Mantel für dich kümmern und dich nach Hause begleiten. Gute Nacht.“ Er nickte ihr kurz zu, begab sich ins Nebenzimmer und schloss die Tür lautlos hinter sich, womit es ihr allein überlassen blieb, auf Jefferson zu warten.
Das konnte ja wohl nicht wahr sein! Wäre sie nur nicht so rettungslos in Bradford vernarrt. Am besten, sie wäre überhaupt nicht in Bradford vernarrt. Da konnte sie wohl nur hoffen und beten, dass er alle Versprechen halten würde, die er ihr heute Abend gemacht hatte.
4. Skandal
Eine Dame sollte davon absehen, über Anstößiges zu reden. Nicht weil es unschicklich wäre, wenngleich es das ist, sondern weil sie den Anfängen wehren sollte. Reicht man der Anstößigkeit den kleinen Finger, nimmt sie die ganze Hand.
aus: Wie man einen Skandal vermeidet
E s war sechs Tage später, abends und nur noch zwölf Stunden bis zur Hochzeit, die nach der unerwartet zügigen Freilassung ihres Vaters aus Marshalsea wie geplant stattfinden würde.
Justine fand es recht enervierend, wie ihre Mutter, die für gewöhnlich die Ruhe und Gelassenheit in Person war, beständig auf und ab ging. Bei jedem Schritt wippten Lady Marwoods ergrauende braune Locken auf dem Kopf, und ihre mit Blumen gemusterten Röcke fegten energisch über den Boden. Dabei hielt sie Justines in rotes Leder gebundene Benimmfibel Wie man einen Skandal vermeidet mit beiden Händen vor sich, als würde sie dazu beten. Was ihrer Mutter gewiss nicht im Traum einfallen würde.
„Mutter.“ Justine klopfte neben sich aufs Bett. „Setz dich. Du hast wahrlich keinen Grund, aufgeregter zu sein als das Lämmchen, das zur Schlachtbank geführt wird.“
Jäh blieb Lady Marwood stehen und hielt das Buch ihrer Tochter unter die Nase. „Ich bin überhaupt nicht aufgeregt. Und du bist wohl kaum ein Lämmchen. Ich hatte nur gerade darüber nachgedacht, wie ich diese Unterredung am besten angehen soll.“
Hoheitsvoll ließ sie den Arm samt Buch sinken und richtete ihre haselbraunen Augen auf Justine. „Einem Mann beizuwohnen, ist im Prinzip nicht anders als das, was du in der Natur hast beobachten können.“
Justine verdrehte die Augen, zog die Knie unters Kinn und schlang die Arme um ihren Morgenrock. „Das klingt nicht gerade vielversprechend, Mutter. Manche Tiere zerfleischen einander bei der Paarung.“
Lady Marwood schüttelte den Kopf. „Ach, ich hätte es mir denken können. Dir fällt immer etwas Absonderliches ein, woran niemand sonst denken würde.“ Sie seufzte. „Hast du denn Fragen, die ich dir vielleicht beantworten kann?“
Justine sah sie abwägend an. „Eigentlich habe ich nur eine einzige Frage. Würdest du sagen, dass ich tägliche Avancen meines Ehemannes zu erwarten habe?“
„Nun, Männer sind sehr, sehr lustvolle Geschöpfe. Insbesondere am Anfang der Ehe.“
Aha. Gut zu wissen. Bradford hatte es gerade so klingen lassen, als litte er an einem schrecklichen Übel. „Macht es denn Spaß? Ich meine, wenigstens ein bisschen? Bitte sag jetzt nicht Nein. Ich wage mir kaum vorzustellen, wie …“
„Nicht die ersten Male, Liebes. Dein Körper braucht ein wenig Zeit, um sich dareinzufinden. Immerhin nimmt dein Mann dich
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