Der Duke, der mich verführte
diesem Gebiet schwerlich forschen lässt. Doch mit Blick aufs Tierreich lässt sich vermuten, dass jede Spezies auch Abnormalitäten aufweist.“ Er sann kurz nach, ehe er fortfuhr. „Ein Beispiel. Du erinnerst dich an den Equus burchelli, dessen Gefährtin unerwartet gestorben war? Und wie er immer wieder zu ihr zurückkehrte und ihren Kadaver bestieg, obwohl irgendwann kaum noch etwas zum Besteigen da war?“
Justine rümpfte die Nase und nickte. Wie könnte sie das vergessen? Gott bewahre, dass Bradford derlei Abnormalitäten gemeint hatte. Das würde den Worten „Bis dass der Tod euch scheidet“ eine ganz neue Bedeutung verleihen … „Nein, so etwas meinte ich nicht. Ich dachte eher an eines Mannes Bedürfnis, sich über die Maßen selbst zu erfreuen.“
„Ah. Verstehe.“ Ihr Vater atmete hörbar auf, dann zuckte er die Achseln. „Im Gegensatz zu den Tieren haben die Menschen die leidige Angewohnheit, ihr Verhalten einer strengen Zensur zu unterwerfen. Leider habe ich auf diesem Gebiet keine Erkenntnisse erlangen können.“
Das war aber nicht sehr hilfreich.
Lord Marwood seufzte tief und beugte sich zu ihr herab. Unbeholfen hielt er ihre Hand in seiner. Aus müden blauen Augen sah er sie an. „Ich habe das Gefühl, dass du dir Sorgen machst, Bradfords Erwartungen nicht genügen zu können. Das brauchst du nicht. Der Mann ist absolut hingerissen von dir. War er schon immer.“
„Ist er das?“
Ihr Vater nickte. „Ehe er sich jüngst diesen Ärger eingehandelt hat, war er mehrmals hier gewesen und wollte dich sprechen. Ich musste ihn wiederholt abweisen, schienen mir seine Absichten doch keineswegs ehrenhaft zu sein.“
„Er … wollte mich sprechen?“, fragte sie leise. „Warum hast du mir nie davon erzählt?“
Ihr Vater schnaubte. „So, wie du ohnehin schon in ihn vernarrt warst? Nein, das hätte gerade noch gefehlt. Es lag ihm fern, um deine Hand anzuhalten, doch freut es mich, dass er nun zur Einsicht gelangt ist und wir uns keine Sorgen mehr machen müssen. Ich kenne ihn lang genug, um dir zu versichern, dass er dich gut behandeln wird. Hin und wieder mag er ein wenig fehlgeleitet sein – und lüstern –, aber im Grunde ist er ein herzensguter Mensch. Hab Geduld mit ihm und führ ihn auf den Pfad der Tugend, dann wird alles gut. Versprochen.“
Justine lächelte und drückte seine warme, feste Hand. „Du hast recht. Ich bin tatsächlich ein wenig aufgeregt. Ich war in London immer eine Außenseiterin, und nun soll ich auf einmal eine Duchess werden und zur guten Gesellschaft gehören! Meine Sorge ist, dass ich dich und alle anderen ganz fürchterlich enttäuschen werde.“
„Du könntest mich niemals enttäuschen, Justine. Vielmehr bin ich es, der dich enttäuscht hat.“ Er zog seine Hand zurück und sah nachdenklich beiseite. „Das meiste kann ich nicht mehr ändern. In dem törichten Glauben, wir lebten in einer freien Gesellschaft, habe ich viel Unheil angerichtet. Zudem hätte ich dir eine standesgemäße Erziehung hier in London ermöglichen sollen, so wie die anderen Mädchen sie bekommen. Ich kann mich nur dafür entschuldigen, dir das vorenthalten zu haben.“
Justine war so gerührt, dass es ihr die Kehle zuschnürte. „Du solltest nicht bedauern, mir ein so wunderbares und aufregendes Leben geboten zu haben. Afrika wird immer meine Heimat sein. Immer. Es ist so herrlich dort, und London wird sich niemals mit seiner Schönheit messen können. Ich bin fest entschlossen, Bradford und auch meine Kinder ab und an nach Afrika zu entführen, um dem Londoner Nebel, dem Rauch und dem Regen zu entkommen.“
Leise nickend malte sie sich die Zukunft aus, dann spielte ein Lächeln um ihre Lippen, und sie meinte: „Wahrscheinlich bleibt mir gar nichts anderes übrig, als meine Kinder mit nach Afrika zu nehmen. Immerhin werden ihre Großeltern dann längst wieder in Kapstadt leben.“
Ihr Vater blickte beiseite. „Ach, weißt du … Meine Tage in Afrika sind gezählt.“
Sie horchte auf. „Aber warum denn?“, fragte sie. Der Gedanke war ihr unerträglich. „Was willst du hier inmitten all der Snobs, die deine Arbeit nicht zu würdigen wissen? Dein Herz gehört Afrika.“
Er seufzte tief und schaute sie an. „Selbst wenn ich die Mittel hätte, nach Afrika zurückzukehren, so wäre es ohne dich doch nicht dasselbe. Du hast meine besten Arbeiten zu Papier gebracht und mir Gesellschaft geleistet, wann immer deine Mutter unpässlich war. Was recht häufig der Fall
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