Der Duke, der mich verführte
vielleicht geschmeichelt fühlen? Das kann wirklich nicht dein Ernst sein.“
Radcliff geriet zunehmend in Bedrängnis und hatte sich nie sehnlicher gewünscht, jemand anders zu sein. Wäre er doch nur ein Mann, auf den sie stolz sein könnte!
Er lehnte sich an den Schreibtisch zurück und drehte die Zigarre zwischen seinen Fingern. „Es tut mir leid. Es war nicht meine Absicht, mein Versprechen zu brechen. Ich hatte es ehrlich und aufrichtig gemeint.“
„Und doch hast du es getan.“
„Und doch habe ich es getan.“ Herrje, was war er doch für ein Mistkerl. Wirklich wahr. Er und sein Bruder waren sich ähnlicher, als es ihm lieb sein konnte.
Hastig nahm er noch einen tiefen Zug, wandte wieder den Kopf zur Seite und blies den Rauch aus. Schließlich meinte er: „Lass mich ganz offen zu dir sprechen, Justine. Ich mag dich. Mehr, als ich jemals eine Frau gemocht habe.“
Die Verwunderung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Ungläubig hob sie die Brauen. „Warum sagst du mir das jetzt?“
„Weil ich möchte, dass du etwas begreifst. Du musst wissen, dass ich trotz meiner Obsession immer ein guter Mensch sein wollte. In all den Jahren meiner Ausschweifungen habe ich mich nach nichts mehr gesehnt, als ein ruhiges Leben zu führen – mit nur einer Frau an meiner Seite. Jetzt, mit dir, habe ich die Gelegenheit dazu. Mach nicht alles noch komplizierter, indem du jetzt eine andere Frau ins Spiel bringst. Mein Leben ist schon schwer genug.“
Sie gab sich unerbittlich und wies mit dem Finger auf ihn. „ Du bist es, der dein Leben verkompliziert, Radcliff. Weder ich noch Miss Thurlow, du allein.“
„Oh nein“, erwiderte er lachend, deutete mit seiner glimmenden Zigarre auf sie und verstreute dabei Asche auf dem Boden. „Im Augenblick bist eindeutig du es, die alles noch viel komplizierter macht. Und weißt du, wie? Indem du die schwangere Mätresse meines Bruders einlädst hierzubleiben. Unter meinem Dach. Ohne Rücksicht auf meine Obsession und ohne mich auch nur zu fragen, was ich davon halte. Was meinst du wohl, was man in London dazu sagen wird? Oder deine Eltern? Zudem dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis Carlton sie ausfindig gemacht hat und hier auftauchen wird. Und was dann? Was dann, Justine? Ich werde mich gewiss nicht mit meinem Bruder wegen seiner Geliebten duellieren. Wegen einer … Hure.“
Justine bedachte ihn mit einem spöttischen wie verärgerten Blick. „Soweit ich sehe, hurt hier im Haus nur einer, Radcliff, und der steht direkt vor mir.“
Da fehlten Radcliff doch glatt die Worte. Nicht nur, dass sie es gesagt hatte, nein, wie sie es gesagt hatte, ließ ihm den Atem stocken. Mit einer solchen Überzeugung, dass ihm das Herz blutete. Wie konnte sie nur so von ihm denken? Schlimmer noch: Er wusste, dass sie recht hatte. Er war eine Hure. Er hurte mit seinem eigenen Schwanz.
„Warum kannst du nicht lassen, was dir deinen Stolz und deine Ehre nimmt?“, beharrte sie und trat noch näher an ihn heran. „Warum kannst du nicht einfach das Versprechen halten, das du mir gegeben hast?“
Er straffte die Schultern und wich ein wenig zur Seite. Musste sie ihm so nah kommen? Sie wusste doch, was das in ihm auslöste. Doch das schien sie nicht zu kümmern. Wie erstarrt stand er da, als sie ihm mit einem beherzten Schritt den Weg abschnitt und ihn zwischen dem Schreibtisch und ihren ausladenden Röcken einkeilte.
Unerbittlich sah sie ihn an, und er war so gebannt, dass er kaum merkte, wie sie nach seiner Zigarre griff, sie ihm aus der Hand nahm und beiseite in die Schale legte.
„Justine“, flüsterte er heiser und meinte, gleich seinen letzten Atemzug zu tun. „Warum quälst du mich so? Ich versuche es doch. Ich tue mein Bestes.“
„Wenn du glaubst, ich quälte dich gerade, Radcliff, kennst du mich wahrlich nicht gut. Und wenn das schon das Beste ist, wozu du imstande bist, fürchte ich allen Ernstes um dich und um unsere Ehe. Außerdem glaube ich, dass wir es völlig falsch angehen. Alle Versuchungen von dir fernzuhalten, dürfte der Sache kaum zuträglich sein. Wie willst du lernen, deine Obsession zu beherrschen, wenn du dir eine reizfreie Umgebung schaffst? Von Miss Thurlow mal ganz abgesehen, bin ich zu der Ansicht gelangt, dass dieses Haus ruhig wieder ein paar weibliche Dienstboten vertragen könnte. Henri ist ja ein reizender junger Mann, aber genug ist genug. Ich will endlich eine richtige Kammerdienerin. Haben wir uns verstanden, Euer Gnaden?“
Er
Weitere Kostenlose Bücher