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Der Dunkle Code

Der Dunkle Code

Titel: Der Dunkle Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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nach oben zu kommen. Die Minuten kamen ihm wie Stunden vor und seine Kräfte ließen nach.
    Lagos blickte über die Schulter auf die Straße hinunter, sie war schwarz vor Menschen. Wie schnell die Leute zusammenkamen, wenn sich etwas Außergewöhnliches ereignete! Der Blick hinunter hatte ihn schwindelig werden lassen. Er hing so hoch oben, dass er fast ohnmächtig wurde.
    Da tauchte der Kopf eines Mannes über dem Dachfirst auf. »Polizia!«, rief er laut.
    Lagos erschrak. Der Polizist trug Zivil und zeigte seine Dienstmarke, als würde das in dieser Situation etwas nützen. Pater Sebastiano schloss die Augen und sein ganzes, von Spielschulden ruiniertes Leben lief in einem schnellen Wirbel vor ihm ab. Gewinnen, verlieren, Schulden, Schuldeneintreiber …
    »Wir möchten Sie nach einem bestimmten Gemälde fragen«, rief der Polizist. »Kommen sie alleine wieder hoch oder wollen Sie ein Seil?«
    »Werfen Sie mir … ein Seil zu …«, keuchte Lagos. Er spürte, wie seine schweißnassen Hände am scharfen Rand der Regenrinne abzurutschen drohten.
    »Wir werden ein Seil besorgen«, teilte der Polizist mit und streckte die Hand nach dem drei Meter weiter unten hängenden Lagos aus. »Schaffen Sie es, ein Stück nach oben zu kommen?«
    Lagos hob langsam das rechte Knie auf die Regenrinne, zog sich Zentimeter für Zentimeter nach oben und bekam schließlich auch das linke Knie auf die Rinne. Danach fing er langsam, ganz langsam an, die Dachschräge hinaufzukriechen. Mit der Fußspitze fand er Halt zwischen zwei Ziegeln, mit den Ärmeln, die er über die nassen Hände gezogen hatte, krallte er sich ans Dach. Das Seil ließ auf sich warten.
    Als er einen halben Meter von der ausgestreckten Hand des Polizisten entfernt war, streckte Lagos ebenfalls eine Hand aus – mit dem Resultat, dass die andere Hand wieder den Halt verlor. Erneut rutschte Pater Sebastiano auf die Regenrinne zu. Der Warnruf des Polizisten mischte sich mit dem Aufschrei der Menschenmenge auf der Straße. Pater Sebastiano schloss die Augen und murmelte schnell ein Stabat Mater: »Stabat Mater dolorosa, iuxta Crucem lacrimosa, dum pendebat Filius …«
    Seine Hände brannten wie Feuer, als würden sich die blutigen Wundmale hineinbohren, die Symbole des Leidens Christi. Einen Moment lang fand er Halt an der rostigen Regenrinne und blickte nach unten. Die Schaulustigen hoben die Arme wie die alten Römer, wenn sie den Kaiser grüßten. Jetzt aber hielten sie ihre Kamerahandys in die Höhe. Im selben Augenblick hörte er, wie die Regenrinne aus den Halterungen brach. Mit dem Rücken voran fiel Lagos nach unten, und während er fiel und fiel, hörte er seine eigene Stimme …
    »Quando corpus morietur, fac ut animae donetur, paradisi gloria. Amen« ,konnte er noch sagen, bevor er auf der grauen Fläche aufschlug. Die Luft wurde ihm aus der Lunge gepresst, als das Luftkissen unter dem Aufprall einen seufzenden Laut von sich gab. Er war fünfzehn Meter gefallen und auf einer mit Luft gefüllten Rettungsmatte der Feuerwehr von Parioli gelandet. Er war nicht tot, obwohl er sich fast wünschte, er wäre es.
    Leutnant Marcello Bari reichte dem Pater die Hand und half ihm beim Aufstehen. Ein Raunen ging durch die Menge, als die Leute am Kragen des Mannes erkannten, dass es sich um einen katholischen Priester handelte. Die Leute glaubten, er sei mit Absicht gesprungen. Pater Sebastiano spürte, wie sich eine riesige Wolke der Scham über seinem Kopf zusammenzog, während er demütig wie ein Schaf dem Polizisten zum Auto folgte. Er hatte sich vom Hirten in ein Schaf verwandelt, nein, er kam sich vor wie ein Wolf im Schafspelz, der zum Schlachten geführt wurde.
    Auf der Rückbank des Polizeiautos fing Pater Sebastiano an zu reden. Er konnte die Scham, die seine Sünden verursacht hatten, nicht mehr ertragen. Er erzählte von den Pferderennen, von den Wetten, von den Spielen im Internet und von den Zinswucherern und den Pfandleihhäusern. Er erzählte von dem antiken Kelch, den er aus dem Magazin der Vatikanischen Museen gestohlen und hinter dem Colosseum an einen amerikanischen Sammler verkauft hatte. Er redete so viel, dass er das Diktiergerät, das neben ihm aufgetaucht war, gar nicht bemerkte.
    Als das Auto schon in die Tiefgarage des Palazzo Quirinale fuhr, redete Pater Sebastiano immer noch. Sicherheitshalber schrieb der Leutnant die wichtigsten Dinge in sein Notizbuch. Lagos berichtete von einem grauhaarigen Mann, den er bei einem dubiosen Galeristen getroffen

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