Der Dunkle Code
wieder in den ersten Stock hinauf und breitete auf dem Schreibtisch die Landkarte aus, die er aus dem Gartenhaus geholt hatte. Achim war ihm lautlos wie ein Puma nach oben gefolgt.
»Von Salzburg aus sind es siebzig Kilometer bis Bad Ischl«, erklärte Dietrich und fuhr dabei mit dem Finger über die Karte aus den 1930er-Jahren. »In einer Viertelstunde sind wir in Salzburg, in einer Stunde in der Gegend von Bad Ischl. Ich glaube, ich habe eines der fehlenden Puzzleteile gefunden.«
»Es ist also nicht die Siegfriedspitze?«, fragte Achim.
»Nein. Machen wir uns auf den Weg.«
Dietrich Gruber hatte sich genauere Karten besorgt und den Umkreis seiner Suche erweitert. Dabei hatte er ein kleines Dorf entdeckt, das Parsenfal hieß. Das logische Kürzel des Namens konnte durchaus PRF lauten.
Per Fernsteuerung ging das Eisentor der Alpenvilla auf und der Mercedes-Geländewagen verließ das Grundstück. Sofort schloss sich das Tor wieder, worauf der Wagen auf der Straße in Richtung Österreich beschleunigte.
Aaro und Niko sahen von ihrem Versteck unter den Fichten aus zu.
»Die scheinen es eilig zu haben«, sagte Aaro. »Hast du den jungen Gorilla gesehen?«
»Ja, leider«, sagte Niko und schluckte. »Wenn das kein Berufskiller ist, wer dann … Was sollen wir jetzt tun? Wenn deine Vermutung stimmt, dann sind die beiden Männer die Kunsträuber aus dem Vatikan. Sollten wir da nicht die Polizei verständigen?«
»Ich habe schon einmal erlebt, was die Polizei bei ihren Ermittlungen von der Hilfe Jugendlicher hält. Wir rufen erst an, wenn wir wissen, dass Grund dazu besteht.«
Aaro bewegte sich über den von Fichtennadeln übersäten Hang hinunter zu dem Maschendrahtzaun, der das Haus umgab. Niko folgte ihm in zehn Metern Abstand und schielte dabei immer wieder zur Straße. Eine gleichmäßig graue Wolkendecke lag über den Bergen. Es war windstill.
Der Zaun war nur knapp zwei Meter hoch und die karoförmigen Maschen boten beim Klettern guten Halt, weshalb Aaro und Niko wenig später auf dem Grundstück standen, wo schon die allerersten Frühjahrsblumen blühten.
Aaro spürte das vertraute spannungsgeladene Kribbeln in den Adern. Vorsichtig ging er um die Villa herum zum hinteren Eingang und stellte fest, dass sich sowohl an der Tür als auch an den Fenstern Aufkleber befanden, die das Vorhandensein eines Hundes und einer Alarmanlage verkündeten. Sofort war Aaro noch wachsamer als zuvor, auch wenn von einem Hund nichts zu sehen und zu hören war.
Stattdessen hörte er Nikos heisere Stimme vom oberen Rand des Hanggrundstücks. Niko stand an der Tür des Nebengebäudes und schien sie öffnen zu wollen.
Aaro rannte zu ihm. »He, wir müssen zuerst entscheiden, ob wir da überhaupt reinsollen«, flüsterte er außer Atem. Die Situation entwickelte sich allmählich in eine Richtung, die Probleme mit sich bringen konnte.
»Die Tür ist schon offen.« Niko zeigte Aaro das Stück Draht, mit dem er das alte Schloss geknackt hatte.
»Eine Alarmanlage gibt es also schon mal nicht«, seufzte Aaro. »Ich wollte dir gerade sagen, dass die Villa höchstwahrscheinlich an sämtliche Sirenen der westlichen Welt angeschlossen ist. Jedenfalls kleben entsprechende Warnungen an den Fenstern.«
»Die sind wahrscheinlich bloß Bluff«, sagte Niko und trat in die feuchte Dunkelheit. Umstandslos drehte er den Lichtschalter, worauf am Ende einer uralten, noch mit Stoff ummantelten Leitung eine Glühbirne anging. Obwohl die Lampe keinen Schirm hatte, war das Licht seltsam trübe.
Aaro schob sich zwischen alten Eichenmöbeln hindurch tiefer in den Raum hinein. Im hinteren Teil stand eine komplette Esszimmereinrichtung samt Schrank mit Glastüren, die Stühle mit rotem Plüsch bezogen. In der Ecke lagen alte Leuchten, darunter auch zwei schmiedeeiserne Stehlampen. Ganz am Ende des Raums standen ein Schreibtisch und graue Kartons mit Büchern, die irgendwann offenbar in großer Eile gepackt worden waren.
Plötzlich spürte Aaro etwas Warmes an seinem Knöchel. Als hätte ein Stück Leder seinen Fuß gestreift. Eine Ratte!
Aaro erstickte den Schrei, der aus seinem Hals drängte, zu einer Art Husten. »Hier gibt’s Ratten oder Mäuse. Aber Hauptsache keinen Hund.«
Er drängte sich weiter zwischen den Sachen hindurch. Wenn sie jetzt von jemandem überrascht würden, hätten sie keinerlei Fluchtmöglichkeit. In diesem Warenlager war von der berühmten deutschen Ordnung nichts zu sehen.
Aaro hustete sich den Staub aus der Lunge und
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