Der Dunkle Code
Zugverkehr blockiert und ein Transport nicht möglich, was die Naziführung zum Toben brachte. Als die Amerikaner Merkers erreichten, hatten es die Deutschen gerade geschafft, vierhundertfünfzig Säcke Bargeld in Sicherheit zu bringen.
Das Bergwerk hatte für die Alliierten keine besondere Bedeutung, und es hätte lange dauern können, bevor der in dem Salzstollen versteckte Schatz entdeckt worden wäre, wenn nicht der Zufall eingegriffen hätte. Zwei amerikanische Militärpolizisten hatten zwei Frauen angeboten, sie in ihrem Wagen mitzunehmen. Als sie am Tor des Bergwerks vorbeikamen, stellte eine der Frauen fest: »Da sind Goldbarren drin.«
Die Amerikaner fanden in den Stollen außerdem Kostbarkeiten aus Museen: Werke von Raffael, Rembrandt, Renoir, Tizian und Dürer, außerdem ägyptische Kunstschätze.
Aaro fasste die Fakten zusammen.
»Darüber hab ich was in einem Film gesehen«, stellte Niko fest. »Warte mal, das müsste einer aus den frühen Siebzigern gewesen sein. Mit Charles Bronson und diesem Spanier mit dem breiten Kinn …«
»Heinrich Gruber«, unterbrach Aaro ihn, »steht also in Verbindung mit den gestohlenen Kunstschätzen, zu denen auch der Caravaggio gehört hat. Und jetzt war Silberlocke Dietrich Gruber am Raub des Caravaggio aus dem Vatikan beteiligt.«
»Na und?«, fragte Niko mit ärgerlich dürftiger Begeisterung. »Außerdem interessiert mich der Goldbestand, für den der alte Herr Gruber verantwortlich war, wesentlich mehr als die Kunst.«
Aaro schaute Niko forschend an. »Willst du damit sagen, dass der auch mit der Geschichte hier zu tun hat?«
»Ich will gar nichts sagen, sondern stelle nur fest, dass hier in den Alpen Gold versteckt wurde. Darüber habe ich sogar zwei Filme gesehen, der eine war mit …«
»Sei mal einen Moment still, ich muss kurz nachdenken.«
Niko verstummte gekränkt. Aaro konzentrierte sich aufs Denken. Niko hatte recht. Der größte Teil der Goldbestände war nach Thüringen gebracht worden. Aber nicht alles.
»Ich will in das Haus von diesem Gruber, am liebsten so bald wie möglich«, sagte Aaro. »Wir haben noch vierundzwanzig Stunden …«
»… von unserem Skiurlaub übrig. Hat Essi dich mal angerufen?«
»Hat ’ne SMS geschickt. Ich hab ihr geantwortet, wir wären auf der Piste. Vorhin bei dem Haus war es ja auch ziemlich steil. Bloß der Schnee hat gefehlt.«
»Dass du in das Haus willst, meinst du aber nicht im Ernst? Das ist Einbruch!«
»Wir klären hier ernste Dinge auf, Niko. Lass uns doch einfach mal nachsehen, ob die Herrschaften noch abwesend sind.«
Nikos Miene verriet keine große Begeisterung.
»Aber vorher suche ich noch einmal ein bisschen im Netz«, sagte Aaro. Er hatte keine Lust, schon wieder von den Biertrinkern angegafft zu werden, aber jetzt hieß es, Prioritäten setzen.
23
Allmählich wurde Dietrich Gruber wirklich nervös. Das Dorf Parsenfal war eine Enttäuschung gewesen. Die meisten Gebäude waren erst nach dem Krieg gebaut worden und das ebene Gelände rund um das Dorf bot keine natürlichen Versteckmöglichkeiten.
Hartnäckig versuchte Gruber weiter, den Code zu knacken. Er hatte ein Blatt Papier vor sich, auf dem ganz oben 16186C152 423DHEG stand. Darunter hatte er zwei Interpretationen geschrieben: PRF30YX4857 und PRF3AEBDBC4857.
Mit allen Mitteln hatte er versucht, den Schlussteil des Codes zu entschlüsseln, denn dass seine Parzifal-Deutung des Anfangs stimmte, darauf verließ er sich. Sie war logisch und glaubwürdig.
Auf seinem Schreibtisch hatte er in Leder gebundene Nachschlagewerke, Ordner und Stöße von Fotokopien aufgestapelt. Die Bücher waren großformatig und stammten zum größten Teil aus dem 19. Jahrhundert. In der Ecke stand ein Mikrofilm-Lesegerät neben einer ganzen Reihe kleiner Pappschachteln. Was diese Menge an Wissen verband, war die Tatsache, dass alles in irgendeiner Form mit der germanischen Mythologie und besonders mit Versionen der alten Sagen zu tun hatte, die von den Nazis bevorzugt worden waren.
Die Nazis hatten versucht, ihre Vorstellung vom Übermenschen mit der stürmischen Geschichte der alten Germanen zu begründen. Die Germanen waren ein kriegerisches Volk gewesen und hatten oft siegreich gekämpft, zum Beispiel gegen die Römer. Vor allem hatten sie Tapferkeit und Todesmut in Ehren gehalten, und in solchen männlichen Tugenden wollten auch die Nazis ihren Glauben verankern.
Dietrich Gruber hasste die Nazis. Hitlers Ideologie und Kriegsmaschinerie hatten nicht nur
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