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Der Dunkle Code

Der Dunkle Code

Titel: Der Dunkle Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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nahm ein Buch aus einem eingerissenen Karton. Es war in Frakturschrift gedruckt und hieß Die Hanse und der deutsche Ritterorden. Der Besitzer dieser Bibliothek hatte sich für mittelalterliche Geschichte interessiert.
    »Komm, wir gehen«, sagte Niko im Halbdunkel neben der Tür. Anscheinend hatte die Vorsicht wieder Oberhand bei ihm gewonnen. Oder der gesunde Menschenverstand. »Ich habe ein Auto auf der Straße gehört.«
    »Es gehört zu den charakteristischen Eigenschaften einer Straße, dass darauf Autos fahren«, meinte Aaro und hustete noch mehr Staub. Allerdings hielt auch er es für keine schlechte Idee zu verschwinden. Auf dem Weg zur Tür stieß er im Halbdunkel gegen einen Kleiderständer, an dem schwere Lodenmäntel hingen. Einer von ihnen fiel zu Boden und Aaro bückte sich, um ihn aufzuheben. Am linken Ärmel war ein breites rotes Band befestigt.
    Aaro hob den Ärmel hoch, um es besser sehen zu können. Dann hatte er das Gefühl, als würde eine kalte Klaue seinen Magen packen: Das Band zeigte ein Hakenkreuz.
    »Hier hängt ein Nazi-Mantel«, zischte er Niko zu.
    Dieser kam näher, in der Hand die Mini-Maglite, deren Lichtkegel sich effektiv durch die staubige Dunkelheit bohrte und schließlich an dem Hakenkreuz haften blieb.
    »Du hast eine Taschenlampe dabei und mir nichts davon gesagt«, beschwerte sich Aaro.
    »Du hast nicht danach gefragt. Was gibt’s hier denn sonst noch so?«
    Im fahlen Licht der Lampe stellten sie fest, dass der Kleiderständer vollgepackt war mit Uniformen, Mänteln, schwarzen Lederjacken.
    »Du weißt, was das für ein Zeichen ist, oder?«, sagte Niko aufgeregt. Er hatte in seinem Leben schätzungsweise sechstausend Filme und Fernsehserien über den Zweiten Weltkrieg gesehen. »Das ist das Zeichen der SS«, sagte er, ohne Aaro auch nur eine Hundertstelsekunde Zeit zum Antworten zu lassen. »Himmlers Firma. Und Kaltenbrunners … ziemlich üble Bande.«
    Oberhalb des Kleiderständers lagen Uniformmützen im Regal, sorgfältig in Pergament eingepackt. Die Mützen waren schwarz, jede von ihnen zeigte einen Totenkopf mit gekreuzten Knochen und darüber die SS-Buchstaben. Als Aaro sich streckte und eine Mütze in die Hand nahm, stieß er mit dem Fuß gegen einen feucht gewordenen Karton. Die Pappe riss auf und in einem Rutsch sauste der Inhalt des Kartons auf den Fußboden. Aaro machte einen Satz nach hinten. Es waren alte Zeitschriften.
    Niko richtete die Lampe auf die Druckerzeugnisse. »Das ist die Heimat« ,sagte er. »Haben die Nazis gern gelesen.«
    Niko schien ganz neuen Schwung bekommen zu haben. Er drehte eine Zeitschrift um und las den kleinen, vergilbten Aufkleber mit der Adresse des Abonnenten: Heinrich Gruber, Molkereiweg 7, München.
    »Weißt du, was ich glaube, Niko?«, fragte Aaro flüsternd.
    »Ich bin kein Gedankenleser, aber ich schätze, du glaubst, dass wir hier den Nachlass irgendeines Obernazis vor uns haben. Und dieser Kerl hieß wahrscheinlich Heinrich Gruber.«
    Plötzlich kam Aaro ein Gedanke, der ihn auf der Stelle erstarren ließ. »Niko …«, flüsterte er und musste sich räuspern. »Als ich im Internet nach dem gestohlenen Bild gesucht habe, ist mir aufgefallen, dass es angeblich auch mal den Nazis gehört haben soll.«
    »Den Nazis? Das ist aber ein komischer Zufall …« Niko zuckte zusammen und lauschte kurz. Wieder fuhr ein Auto auf der Straße vorbei. »Dann lass uns abhauen«, sagte er. »Du willst bestimmt schnell ins Internet.«
    »Lieber in eine richtige Bibliothek. Aber jetzt muss das Netz reichen. Stand in unserem Gasthof nicht ein Computer am Empfang?«
    »Doch. Der Wirt hat die ganze Zeit darauf Patiencen gelegt.«
    Sie verließen das Gebäude und überquerten den Zaun an derselben Stelle, an der sie auch herübergekommen waren. Niko wollte schon in den Wald laufen, aber Aaro hielt ihn auf: »Warte!«
    »Was ist?«, wollte Niko genervt wissen, doch da rannte Aaro bereits zurück, zur Vorderseite des Hauses.
    Außer Atem blieb er vor dem verzierten Briefkasten am Tor stehen und starrte auf das Namensschild. Dort stand nicht Weymann, dort stand GRUBER.
    Auch der Abonnent der alten Nazizeitschrift hatte Gruber geheißen. Heinrich Gruber.

22
    Pater Sebastiano Lagos klammerte sich an die Regenrinne. Nachdem er mit den Füßen voran das Ziegeldach hinuntergerutscht war, hatte sie ihn gebremst und er hatte sich kurz darauf festhalten können. Aber jetzt bog sie sich und er wusste, dass er es nicht schaffen würde, aus eigener Kraft wieder

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