Der dunkle Fluss
erledigt, erschöpft für heute, und sie war es auch. Ich versuchte, nicht an Dolf zu denken, der so allein war, und auch nicht an das, was Sarah mir erzählt hatte. Fast gelang es mir, und mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen war, dass Jamie mich nicht zurückgerufen hatte. Danach überfielen mich die Träume verdammt schnell. Sie kamen in stakkatoartigen Wellen. Visionen, Erinnerungen. Ich sah Blut an der Wand und einen weißen Hirsch, unter dessen Hufen die Steine prasselten. Sarah Yates, das Gesicht nach oben gewandt, lächelnd in einer taghellen Nacht. Meine Mutter unter dem Steg, mit Flammen in den Augen. Einen Ledermann mit einer silbernen Pistole.
Ich erwachte, als ich nach der Waffe im Gürtel des Bikers griff, und sprang halb aus dem Bett. Ein Schrei ballte sich in meiner Kehle zusammen. Robin griff im Schlaf nach mir und drückte ihre glatte, warme Brust an meine Rippen. Ich atmete flach und zwang mich stillzuliegen. Meine Haut glänzte von Schweiß, und harte, schwarze Luft drängte gegen das Fenster.
Sie hat sich meinetwegen das Leben genommen ...
FÜNFUNDZWANZIG
E s war noch dunkel, als Robin mich auf die Wange küsste. »Der Kaffee ist fertig«, sagte sie. »Ich bin weg.«
Ich rollte mich herum. Ihr Gesicht war schemenhaft, aber ich konnte ihre Haut und ihr Haar riechen. »Wo willst du hin?«, fragte ich.
»Ich werde Zebulon Faith finden.«
Ich blinzelte. »Im Ernst?«
»Die schlechten Nachrichten werden zu viele. Jetzt muss mal etwas Gutes passieren. Ich habe mich herausgehalten, weil das County für den Fall zuständig ist, aber ich habe keine Lust mehr zu warten, bis sie ihn lösen. Ich werde es selbst machen.«
»Grantham wird stinkig werden.«
»Allmählich geht's mir wie dir. Scheiß auf Grantham. Scheiß auf die Politik.«
»Glaubst du, Zebulon Faith hat Grace überfallen?«
»Anfangs nicht. Es war zu naheliegend. Aber jetzt bin ich nicht mehr sicher. Er hat sich für eine ganze Menge zu verantworten. Fazit ist, ich will mit ihm reden. Ich vertraue gern auf meinen Instinkt.«
»Was ist mit der Drogenbehörde?«
»Die haben sich die Drogen angesehen, die wir beschlagnahmt haben, und bestätigt, dass der Hustensaft gestohlen war. Sie werden herumfragen, aber hier sind sie nutzlos.«
Ich setzte mich auf und sah auf die Uhr. Fünf Uhr fünfundvierzig.
»Er ist zwar untergetaucht«, sagte sie, »doch ich glaube nicht, dass er weit weg ist. Sein Sohn ist tot, seine Drogen sind beschlagnahmt, und er weiß, dass wir ihn suchen. Aber er ist dumm und niederträchtig, und er glaubt immer noch, dass er da irgendwie rauskommt. Er hat zwölf Hektar, und die sind eine siebenstellige Summe wert. Er wird irgendwo in der Nähe in einem dunklen Loch hocken, zumindest bis das Geschäft mit der Stromgesellschaft vom Tisch ist. Ich werde bei seinen Bekannten und Geschäftspartnern anfangen, und ich habe keine Angst davon, sie unter Druck zu setzen.«
»Sag mir Bescheid.«
Robin ging, und meine Gedanken überschlugen sich, bis das graue Licht hereindrang. Um acht verließ ich das Haus und sah George Tallman in seinem Streifenwagen unter einer lastenden Wolkendecke. Als er mich bemerkte, stieg er aus. Er sah aus, als sei er die ganze Nacht auf gewesen. Falten beeinträchtigten die Perfektion seiner dunkelblauen Uniform. Er beobachtete mich mit blutunterlaufenen Augen. »Morgen«, sagte ich.
»Morgen.«
»Wartest du auf mich oder auf Robin?«
»Auf dich.«
Sein fleischiges Gesicht unter den zwei Tage alten Bartstoppeln war bleich. »Woher wusstest du, dass ich hier bin?«
»Komm schon, Adam. Das weiß jeder. Das ganze Police Department redet darüber. Wahrscheinlich die ganze Stadt.«
»Was willst du, George? Es ist noch früh.«
Er lehnte sich an den Kühler seines Wagens, spreizte die Hände auf dem Lack und sah plötzlich sehr ernst aus. »Es geht um Miriam«, sagte er. »Sie hat mir erzählt, dass du Bescheid weißt.«
Über die Ritzerei?«
Er schaute weg, als wolle er dem Wort ausweichen. »Ja.«
»Das ist keine dumme Spinnerei, George. Die Probleme, die sie dazu bringen... Ich kann nicht annähernd begreifen, was das alles bedeutet. Wirst du damit fertig? Willst du damit fertig werden?«
»Es ist so, wie ich gesagt habe, Adam. Miriam braucht mich. Zerbrechlich und schön.« Wieder hielt er die imaginären Teetassen in die Höhe und breitete dann die Finger aus wie ein Zauberer. »Sie hat Probleme. Wer hat die nicht? Sie hat die Seele einer Künstlerin, und das hat seinen Preis. Sie
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