Der dunkle Fluss
dem Horizont quoll das Morgengrauen herauf, aber wir konnten es noch nicht sehen. Vögel trällerten im tiefen Wald, Farbe wuchs aus der Erde herauf, als das kalte Grau allmählich erstarb.
Als ich um den Felsen herumbog, rollte das leise Grollen des Dieselgenerators über mich hinweg. Im Trailer brannte mattgelbes Licht, und ich sah das Flackern eines Fernsehers. Ein schlammbespritzter Jeep parkte vor der Tür. Jamie stolperte hinter mir heran und nickte einmal kurz. Ich schlich mich von hinten an den Jeep heran. Der Boden hinter den Vordersitzen war vollgestellt mit Benzinkanistern. Ich deutete mit dem Kinn darauf, damit Jamie sie sah. Er zog die Brauen hoch, als wollte er sagen: Ich hab's dir doch erzählt. Aber ich war noch nicht überzeugt. In den Kanistern konnte auch Diesel für den Generator sein.
Meine Hüfte strich am Blech der Karosserie entlang, als ich mich bewegte; getrockneter Schlamm bröckelte ab und fiel ins Gras. Ich legte die Hand auf die Haube und spürte, dass der Motor noch ein wenig warm war. Jamie fühlte es auch. Wir überquerten das letzte Stück der Lichtung und gingen vor den Fenstern des Trailers in die Knie. Jamie war ungeduldig und wollte zur Treppe. Ich hielt ihn zurück; ich erinnerte mich, wie das Holz unter mir nachgegeben hatte. Wir wogen zusammen über zweihundert Kilo, und ich wollte nicht, dass die Veranda zusammenbrach.
»Langsam«, flüsterte ich.
Ich ging als Erster, den Gewehrkolben an der Hüfte, den Doppellauf schräg vor mir. Die Stufen waren glitschig vom Schweiß der Nacht. Der Generator ließ die ganze Konstruktion vibrieren, und ein unterschwelliges Summen durchströmte meinen Körper.
Die Wandverkleidung neben meinem Gesicht war schuppig vom Rost. Von drinnen kam ein dumpfes, rhythmisches Stampfen, aber irgendwas stimmte damit nicht. Es war zu regelmäßig, zu hohl.
Die Tür stand einen Spaltbreit offen, und die Fliegentür dahinter war geschlossen. Aus der Nähe klang das Stampfen lauter.
Wenn ich die Hand an die Wand legte, würde ich es wahrscheinlich fühlen, dachte ich. Wir knieten neben der Tür nieder.
Ich stand auf und schaute durch das Fenster.
Zebulon Faith saß mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden und lehnte mit dem Rücken an einem der wackligen Stühle. Seine Jeans war dunkel von Schlamm, und seine Schuhe standen in einer Ecke. Eine Brandwunde an seinem Unterarm glühte heiß und kirschrot. In der linken Hand hielt er eine fast leere Wodka-Flasche, die mit Limettenspalten vollgestopft war. Er hob sie hoch, schloss die Lippen um ihren Hals und trank drei große Schlucke. Er würgte, und dünne Tränen quollen unter den fest zusammengepressten Lidern hervor. Er knallte die Flasche auf den Boden, öffnete den Mund und schüttelte den Kopf. Der Fernseher tauchte den Raum in Flackerlicht.
Die Waffe lag in seiner rechten Hand — ein schwarzer, dickläufiger Revolver, wahrscheinlich derselbe, mit dem er am Fluss versucht hatte, mich umzubringen. Seine Finger hielten ihn locker umfasst, bis er seinen Wodka-Schauder abgeschüttelt hatte und die Augen öffnete. Dann schlossen sich seine Finger, und er fing an, mit dem Kolben auf den Boden zu schlagen. Auf und ab, regelmäßig, alle fünf Sekunden. Das stampfende Geräusch. Holz und Metall auf dem durchhängenden Fußboden.
Der Innenraum sah unverändert aus. Müll, verstreutes Papier, der überwältigende Eindruck von Verwahrlosung und Verfall. Und Faith passte da hinein. Er hatte Kotze vorn auf dem Hemd.
Er hörte auf, mit der Waffe auf den Boden zu schlagen; er sah sie an, drehte sie um und tippte sich damit an den Kopf. Er strich mit dem Lauf über seine Wange, und der Ausdruck bewusster Sinnlichkeit erfasste die Konturen seines offenen Mundes. Dann schlug er härter zu, schlug sich gegen die Schläfe, so fest, dass sein Kopf zur Seite kippte. Er trank noch mehr Wodka, hob die Waffe, starrte in die Mündung, und dann streckte er in einer höchst verstörenden Geste die Zunge heraus und leckte daran.
Ich duckte mich.
»Ist er allein?«, flüsterte Jamie.
»Und völlig im Arsch. Bleib hinter mir.«
Ich richtete mich auf, entsicherte das Schrotgewehr und trat schnell und geschmeidig durch die Tür. Er bemerkte mich gar nicht. Innerhalb eines Augenblicks war ich von der Veranda auf den Vinylboden seiner Küche getreten. Zwischen uns lagen vielleicht noch drei Schritte. Ich hatte das Gewehr erhoben, und er nahm mich immer noch nicht wahr. Ich behielt den Revolver im Auge. Seine Augen waren
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