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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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kleinen Stahlrohrstuhl sitzen, bis alle weg waren; nur die Totengräber warteten in respektvoller Entfernung. Ich betrachtete sie, als ich aufstand: raue Männer in verschlissenen Kleidern. Sie würden so lange warten, wie es nötig wäre. Daran waren sie gewöhnt, dafür wurden sie bezahlt. Wenn alle gegangen wären, würden sie Danny in die Erde hinunterlassen.
    Ich blickte mich nach Grantham um, aber er war auch fort. Ich legte die Hand auf den Sarg meines Freundes, fühlte die glatte Vollkommenheit des Holzes, und dann ging ich den langen, abschüssigen Weg hinunter, der schließlich zu dem Stein führte, auf dem der Name meiner Mutter stand. Ich kniete im Gras davor nieder und lauschte den fernen Geräuschen von Dannys Grubenfahrt. Ich senkte den Kopf und sprach ein letztes Gebet, blieb danach noch eine ganze Weile und durchlebte die Erinnerungen, die ich noch hatte. Oft kehrte ich zu jenem Tag unter dem Steg zurück, wo die schrägen Sonnenstrahlen ihre Augen in Feuer verwandelt hatten. Es gebe so viel Zauber auf der Welt, hatte sie gesagt, aber sie hatte sich geirrt: Das meiste davon war mit ihr gestorben.
    Als ich schließlich aufstand, sah ich den Pfarrer.
    »Verzeihen Sie, dass ich Sie störe«, sagte er.
    »Hallo, Father. Sie stören mich nicht.« Ich deutete hinauf zu Dannys Grab. »Eine schöne Predigt, die Sie da gehalten haben.«
    Er kam an meine Seite und betrachtete den Grabstein meiner Mutter. »Ich muss immer noch an sie denken, wissen Sie. Schade um sie. So jung. So voller Leben ...«
    Ich wusste, wie seine Gedanken weitergingen. So voller Leben, bis sie es selbst beendet hat. Der Friede, den ich empfunden hatte, verschwand, und an seiner Stelle stieg die vertraute Wut herauf. Wo war er denn gewesen, fragte ich mich, dieser Pfarrer? Wo war er, als die Dunkelheit sie verschlang?
    »Das sind nur Worte, Father.« Er sah, wie aufgewühlt ich war. »Worte gelten nichts.«
    »Niemand hat Schuld, Adam. Abgesehen von den Erinnerungen sind Worte alles, was wir haben. Ich wollte Sie nicht aus der Fassung bringen.«
    Sein Bedauern perlte an mir ab, und als ich das dichte Gras betrachtete, das über meiner Mutter wuchs, empfand ich eine Leere, wie ich sie noch nie gekannt hatte. Sogar die Wut war verflogen.
    »Sie können nichts für mich tun, Father.«
    Er verschränkte die Hände vor seinem Talar. »Ein solcher Verlust kann in verstörten Seelen ungeahnten Schaden anrichten. Sie sollten auf die Familie schauen, die Sie noch haben. Sie können einander trösten.«
    »Das ist ein guter Rat.« Ich wandte mich ab und wollte gehen.
    »Adam.« Ich blieb stehen. Er sah mich beunruhigt an. »Ob Sie es glauben oder nicht, normalerweise halte ich mich aus den Angelegenheiten anderer Leute heraus, es sei denn natürlich, sie fragen mich um Rat. Deshalb mische ich mich auch hier nicht gern ein. Aber etwas macht mich ratlos. Darf ich Sie etwas fragen?«
    »Natürlich.«
    »Habe ich recht verstanden, dass Danny in Grace verliebt war?«
    »Ja. Das war er.«
    Er schüttelte den Kopf, und der Ausdruck der Verwirrung wurde stärker. Melancholie ging wellenförmig von ihm aus. »Father?« Er deutete auf die Kirche in der Ferne. »Nach der Trauerfeier habe ich Miriam in der Kirche vorgefunden. Sie kniete weinend vor dem Altar. Schluchzend, besser gesagt.« Er schüttelte den Kopf. »Sie brachte kaum ein verständliches Wort hervor. Sie verfluchte Gott, vor meinen Augen. Ich mache mir Sorgen. Ich verstehe es immer noch nicht.«
    »Was verstehen Sie nicht?«
    »Sie weinte um Danny.« Er nahm die verschränkten Hände auseinander und breitete sie aus wie Flügel. »Sie sagte, sie wollten heiraten.«

EINUNDDREISSIG
    I ch sah die Szene vor mir, als ich den Motor anließ. Miriam in ihren fließenden schwarzen Kleid, das Gesicht erfüllt von Hass und geheimen Verletzungen. Ich sah sie zusammengesunken vor dem glänzenden Kreuz, wie sie Gott mit geballten Fäusten in seinem eigenen Hause verfluchte und die Hilfe eines ehrlichen Pfarrers zurückwies. Ich glaubte zu verstehen, ich sah die hässlichen Einzelheiten: Grace in regloser Stille, das Gesicht zum Himmel gewandt, als Dannys Tante zu ihr sagte: Ich höre, er hat Sie sehr geliebt. Und Miriams Gesicht dahinter, wie es jäh erschlaffte. Die dunkle Brille, die ihre Augen bedeckte, als diese Worte über Dannys Sarg hinwegrollten und trauernde Fremde den Kopf senkten und wortlos ihr Beileid kundtaten, ihr Beileid für eine große Liebe, die verloren war.
    Sie hatte dem Pfarrer gesagt,

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