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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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meine Finger umklammerten die Schachtel. Ich richtete mich auf und erwartete den harten, lautlosen Ansturm, aber der Hund stand immer noch auf der Veranda. Er blinzelte, und die rot glänzende Zunge hing heraus.
    Ich fummelte am Deckel und öffnete die Schachtel. Glatte Plastikhülsen. Messingkappen, hell glänzend auf den roten Zylindern.
    Ich bekam zwei zwischen die Finger, schob sie in die Läufe, klappte die Waffe zu und entsicherte sie. Und schon hatte die Dynamik der Situation sich verändert.
    Das hat ein Gewehr so an sich.
    Ich drückte den Kolben an die Schulter und bewegte mich auf die Veranda zu. Dabei hielt ich in den hinteren Ecken Ausschau nach anderen Hunden. Zu der Meute gehörten mehr als drei. Die anderen mussten irgendwo sein.
    Noch fünf Schritte, dann noch vier.
    Der Alpha-Hund senkte den Kopf. Seine Lefzen kräuselten sich, schwarz und glänzend an der Innenseite, und die Schnauze stand zwei Fingerbreit offen. Das Grollen in seiner Kehle wurde lauter, der andere Hund hob den Kopf und fing ebenfalls an zu knurren. Beide fletschten die Zähne. Der Große tat einen Schritt auf mich zu, und mir sträubten sich die Nackenhaare. Ein urzeitliches Geräusch. Ich hörte die Worte meines Vaters: Nur 'ne Frage der Zeit, wann sie frech werden.
    Noch einen Schritt. Jetzt war ich nah dran. Nah genug, um den Boden der Veranda zu sehen.
    Die Blutlache war breit und tief und so dunkel, dass sie schwarz erschien. Da, wo die Hunde geleckt hatten und hineingetreten waren, war sie verschmiert, aber an anderen Stellen war sie glatt wie Farbe und von feinen Linien durchzogen, wo sie durch die Dielen sickerte. Von der Pfütze bis zur Haustür sah ich Schleifspuren und blutige Handabdrücke.
    Blut an der Tür.
    Aber das waren nicht die Hunde gewesen, das sah ich auf den ersten Blick. Ich erkannte es daran, wie das Blut eine Lache bildete, wie es schon klebrig geworden war, dickflüssig wie Leim.
    Aasfresser, dachte ich. Nichts weiter.
    Ich bewegte mich schräg von der Seite auf die Treppe zu, und die Hunde verfolgten jeden Schritt mit hochgezogenen Schultern und gesenkten Köpfen. Ich ließ ihnen reichlich Platz, aber sie rührten sich nicht von der Stelle. So erstarrten wir. Das Gewehr im Anschlag, die Zähne gebleckt.
    Dann schlich der Alpha-Hund fließend die Treppe herunter und über den Hof. Einmal blieb er stehen und schaute sich um, und es sah aus, als grinste er mich an. Der andere Hund kam zu ihm. Sie schnürten über das Gras und verschwanden zwischen den Bäumen.
    Ich stieg die Treppe hinauf und sah mich weiter nach Hunden um, dann überquerte ich die Veranda so leise, wie es ging. Der Geruch von Kupfer drang mir in die Nase, und blutige Pfotenabdrücke zogen sich an der Tür herunter. Langsam drehte ich den Türknauf und stieß die Tür mit der Fingerspitze auf.
    Grace lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Ihr schwarzes Kleid war dunkel und nass. Sie drückte beide Hände an den Leib. Ihre Füße stemmten sich kraftlos gegen den Boden, und ihre Kirchenschuhe rutschten durch das dünne rote Nass. Blut quoll zwischen ihren Fingern hervor.
    Ich folgte ihrem Blick.
    Miriam saß am Rand eines weißen Stuhls auf der anderen Seite des Zimmers, Grace zugewandt. Vorgebeugt saß sie da, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, und das Haar hing ihr ins Gesicht. Die Pistole baumelte an ihrer rechten Hand, eine kleine Automatic, irgendetwas Blaues, Geöltes. Ich trat ins Zimmer und richtete das Schrotgewehr auf Miriam. Sie richtete sich auf, schnippte sich das Haar aus dem Gesicht und deutete mit der Pistole auf Grace. »Sie hat ihn mir weggenommen.«
    »Leg die Pistole weg.«
    »Wir wollten heiraten.« Sie schwieg und rieb sich die Tränen aus dem Gesicht. »Er hat mich geliebt.« Sie stieß mit der Pistole dorthin, wo Grace lag. »Nicht sie. Diese Tantenschlampe hat gelogen.«
    »Ich werde dir zuhören, Miriam. Ich will alles hören. Aber leg die Waffe weg.«
    »Nein.«
    »Miriam —«
    »Nein!«, kreischte sie. »Leg du sie weg!«
    »Er hat dich benutzt, Miriam.«
    »Leg sie weg!«
    Ich tat noch einen Schritt auf sie zu. »Das kann ich nicht.«
    »Ich jage ihr die nächste in die Brust!«
    Ich sah Grace an, sah die glitschigen roten Finger, die Qual in ihrem blau angelaufenen Gesicht. Sie schüttelte den Kopf, gab einen wortlosen Laut von sich. Ich ließ das Gewehr sinken, legte es auf den Tisch und streckte die Hände vor mich. »Ich werde ihr helfen«, sagte ich und kniete neben Grace nieder. Ich zog die Jacke aus,

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