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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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beschloss ich, meine Probleme beiseitezuschieben und zu helfen, so gut ich konnte. Wir trafen uns zum Kaffee zehn Meilen weiter an der Interstate. Nach ein paar vorsichtigen Einleitungsworten bat er mich, zur Sache zu kommen.
    »Wie hoch ist mein Vater verschuldet?« Das war meine Frage.
    Er sah mich lange an und versuchte, sich einen Reim auf mich zu machen. Ich wusste, dass er und mein Vater miteinander gesprochen hatten. Das hatte er mir erzählt.
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Die Farm ist seit zweihundert Jahren im Besitz meiner Familie. Ein großer Teil der Reben ist verbrannt. Mein Vater hat Schulden. Wenn die Farm in Gefahr ist, möchte ich helfen.«
    »Dann sollten Sie mit Ihrem Vater reden«, sagte Parks. »Nicht mit einem Vermittler.«
    »Dazu bin ich nicht bereit.«
    Er trommelte mit langen Fingern auf den Tisch. »Was schlagen Sie vor?«
    »Er hat mich mit drei Millionen ausbezahlt. Ich bin bereit, mich mit derselben Summe wieder einzukaufen. Das müsste genügen, um ihm aus der Klemme zu helfen.«
    »So viel haben Sie noch übrig?«
    »Ich habe gut investiert. Wenn er mehr braucht, habe ich es auch.«
    Der Anwalt rieb sich das Gesicht und dachte darüber nach. Dann sah er auf die Uhr. »Haben Sie es eilig?«
    »Nein.«
    »Dann warten Sie hier.«
    Ich beobachtete ihn durch das Fenster. Er stand mit dem Handy am Ohr auf dem Parkplatz und diskutierte mit meinem Vater. Sein Gesicht glühte noch, als er zu unserem Tisch zurückkam. »Er hat abgelehnt.«
    »Hat er gesagt, warum?«
    »Darüber kann ich nicht reden.«
    »Aber er hat Ihnen einen Grund genannt?«
    Der Anwalt nickte. »Einen ziemlich guten.«
    »Und Sie werden mir nicht sagen, welchen.«
    Er spreizte die Hände und schüttelte den Kopf.
    Dolf war es, der es mir schließlich erklärte. Er stand am nächsten Morgen vor Robins Haus. Wir sprachen im Schatten des Gebäudes miteinander, am Rande des Parkplatzes. »Dein Vater will alles in Ordnung bringen. Er will, dass du wieder nach Hause kommst, aber nicht, weil du ein finanzielles Interesse hast. Nicht, um deine Investition zu schützen.«
    »Und was ist mit seinen Schulden?«
    »Er wird sich refinanzieren. Neue Hypotheken aufnehmen. Alles, was nötig ist.«
    »Kann er das?«
    »Ich vertraue deinem Vater.« Ein Satz mit vielschichtiger Bedeutung.
    Ich begleitete Dolf zu seinem Truck. »Niemand hat Jamie gesehen«, sagte er durch das offene Seitenfenster. »Er ist nicht nach Hause gekommen.« Wir wussten beide, warum. Miriam war seine Zwillingsschwester, und mein Vater hatte sie erschossen. Dolfs Blick war sorgenvoll. »Sieh dich nach ihm um, ja?«
    Ich rief meinen Broker in New York an und veranlasste eine Überweisung an eine örtliche Filiale. Als ich Jamie fand, hatte ich einen Barscheck über dreihunderttausend Dollar in der Tasche. Ich entdeckte ihn in einer Sports Bar in der Stadt. Er saß in einer Nische in der hinteren Ecke. Leere Flaschen reihten sich quer über den Tisch von einem Ende zum anderen. Er sah aus, als habe er sich seit Tagen nicht mehr rasiert oder gewaschen. Ich humpelte zu seinem Tisch, rutschte ihm gegenüber auf die Bank und lehnte meine Krücken an die Wand. Er war am Boden zerstört.
    »Geht's?«, fragte ich.
    Er antwortete nicht.
    »Alle suchen dich.«
    Als er sprach, war seine Zunge schwer, und in seinem Blick sah ich dieselbe Wut, die mich beinahe zerstört hätte. »Sie war meine Schwester«, sagte er. »Verstehst du das?«
    Ich verstand es. So verschieden sie gewesen waren, sie war seine Zwillingsschwester gewesen.
    »Ich war dabei«, sagte ich. »Er hatte keine Wahl.«
    Jamie knallte seine Flasche auf den Tisch. Bier spritzte heraus und auf meinen Ärmel. Die Leute starrten herüber, aber Jamie merkte nichts davon. »Man hat immer eine Wahl.«
    »Nein, Jamie. Nicht immer.«
    Er lehnte sich zurück und rieb sich das Gesicht mit seinen großen, schwieligen Händen. Als er mich wieder ansah, war es, als schaute ich in einen Spiegel. »Geh, Adam. Geh einfach.« Er ließ den Kopf in die Hände sinken, und ich schob den Scheck über den Tisch.
    »Was immer du brauchst ...«, sagte ich und humpelte zum Ausgang. In der Tür drehte ich mich noch einmal um. Er hielt den Scheck in der Hand, und dann legte er ihn hin. Er sah mich und hob die Hand. Seinen Gesichtsausdruck würde ich nie mehr vergessen.
    Dann senkte er den Blick und griff nach seinem Bier.
    Als ich Grace besuchte, war es leichter, als ich dachte. Bei ihrem Anblick sah ich meine Mutter nicht vor mir.

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