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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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sagte ich und erläuterte den Grund für Granthams Winkelzug. Meine Worte fielen mit solchem Gewicht zwischen uns herab, dass der Boden unter unseren Füßen wegzubrechen schien. Das Glas meines Vaters explodierte im Kamin. Dolf legte die Hände vor das Gesicht. Jamie erstarrte.
    Dann erzählte ich ihnen von dem Zettel. »Sag dem Alten, er soll verkaufen.«
    Alle Luft entwich aus dem Zimmer.
    »Das ist unerträglich«, sagte mein Vater. »Alles. Jede verdammte Kleinigkeit. Was um Gottes willen geht hier eigentlich vor?«
    Es gab keine Antwort, noch nicht, und in der qualvollen Stille trug ich mein Glas zum Sideboard, um mir noch einen Bourbon einzuschenken. Ich goss zwei Fingerbreit in mein Glas und klopfte Jamie auf die Schulter. »Wie geht's dir, Jamie?«
    »Gib mir auch noch einen«, sagte er. Ich schenkte ihm ein und war fast wieder bei meinem Sessel, als Miriam in der Tür erschien.
    »Robin Alexander ist hier«, sagte sie. »Sie will Adam sprechen.«
    Mein Vater antwortete. »Bei Gott, ich will sie auch sprechen.« Der metallene Klang seines Zorns war nicht zu überhören. »Sie will ihn draußen sprechen. Es geht um eine Polizeiangelegenheit, sagt sie.«
    Robin wartete vor dem Haus. Sie wirkte unbehaglich, als sie uns alle sah. Früher war sie in jeder wichtigen Hinsicht ein Teil dieser Familie gewesen.
    »Robin.« Ich blieb am Rand der Veranda stehen.
    »Kann ich dich unter vier Augen sprechen?«, fragte sie.
    Mein Vater antwortete, bevor ich es tun konnte. »Alles, was du Adam zu sagen hast, kannst du uns allen sagen. Und ich wäre dir dankbar, wenn es diesmal die Wahrheit wäre.«
    Robin wusste, dass ich geredet hatte; man sah es daran, wie sie uns anschaute, als taxiere sie eine potenzielle Bedrohung. »Es wäre einfacher, wenn wir beide uns allein unterhalten könnten.«
    »Wo ist Grantham?«, fragte ich.
    Sie zeigte zu ihrem Wagen, und ich sah die Silhouette eines Mannes. »Ich dachte, es läuft vielleicht besser, wenn ich allein komme«, sagte sie.
    Mein Vater ging an mir vorbei auf den Rasen hinunter und überragte sie turmhoch. »Alles, was du über Grace Shepherd oder über die Ereignisse auf meinem Land zu sagen hast, wirst du in meiner Anwesenheit sagen. Ich kenne dich schon lange, und ich scheue mich nicht, dir zu sagen, wie enttäuscht ich von dir bin. Deine Eltern würden sich schämen.«
    Sie musterte ihn ruhig und ohne mit der Wimper zu zucken. »Meine Eltern sind seit einiger Zeit tot, Mr. Chase.«
    »Du kannst ruhig hier sprechen«, sagte ich.
    Niemand rührte sich, niemand sagte etwas. Ich war ziemlich sicher, dass ich wusste, worüber sie reden wollte.
    Eine Autotür schlug zu, und Grantham erschien hinter Robin. »Das reicht jetzt«, sagte er. »Wir reden auf dem Revier.«
    »Bin ich festgenommen?«, fragte ich.
    »Ich wäre dazu bereit«, sagte Grantham.
    »Mit welcher Begründung?«, fragte Dolf. Mein Vater hob die Hand und brachte ihn zum Schweigen. »Was zum Teufel ist hier los?«, fragte mein Vater.
    »Ihr Sohn hat mich belogen, Mr. Chase. Ich habe weder für Lügen noch für Lügner viel übrig. Und darüber werde ich mit ihm reden.«
    »Komm, Adam«, sagte Robin. »Lass uns zum Revier fahren. Nur ein paar Fragen. Ein paar Unstimmigkeiten. Es dauert nicht lange.«
    Ich ignorierte die andern. Grantham verschwand, mein Vater ebenfalls. Die Kommunikation zwischen Robin und mir war vollendet, und das war auch ihr klar. »Das ist die Grenze«, sagte ich. »Genau hier.«
    Ihre Entschlossenheit geriet ins Wanken, aber dann war sie wieder da. »Würdest du bitte einsteigen?«
    Und das war's.
    Mein Herz zerriss, meine letzte Hoffnung für uns beide erstarb, und ich stieg in den Wagen.
    Ich sah meine Familie, als Grantham den Wagen wendete. Ich sah Schock und Verwirrung. Und dann sah ich Janice, meine Stiefmutter. Sie erschien auf der Veranda, als Staubwolken hinter uns aufwallten.
    Sie sah alt aus, als seien nicht fünf, sondern zwanzig Jahre vergangen. Sie hob die Hand, um ihre Augen vor der Sonne zu beschirmen, und selbst aus dieser Entfernung sah ich, dass sie zitterte.

VIERZEHN
    S ie fuhren mich in die Stadt, vorbei am College und an den Läden ringsum und weiter auf der Hauptstraße mit dem Gerichtsgebäude, den Anwaltskanzleien und Coffeeshops. Ich sah, wie Robins Wohnung vorübergeeilt. Die Leute bewegten sich unter einem rosaroten Himmel, und die Schatten streckten sich lang über das Pflaster. Nichts hatte sich verändert. Nicht in fünf Jahren, nicht in hundert. Ich sah

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