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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Ladenfassaden aus dem vorigen Jahrhundert, Geschäfte, die seit fünf Generationen derselben Familie gehörten. Und noch etwas hatte sich nicht geändert: Adam Chase stand unter Tatverdacht.
    »Wollen Sie mir nicht sagen, worum es geht?«, fragte ich.
    »Ich glaube, das wissen Sie«, erwiderte Grantham.
    Robin schwieg. »Detective Alexander?«, fragte ich. Ihre Kiefermuskeln strafften sich.
    Wir fuhren in eine Seitenstraße, die zur Bahnstrecke führte. Das Salisbury Police Department war im zweiten Block, ein neues, zweigeschossiges Klinkergebäude. Fahnenmasten, Streifenwagen auf dem Parkplatz. Grantham stellte den Wagen ab, und sie führten mich durch den Vordereingang hinein. Es war alles ganz freundlich. Keine Handschellen, keine Zelle. Grantham hielt mir die Tür auf.
    »Ich dachte, das County ist für den Fall zuständig«, sagte ich. »Warum sind wir nicht beim Sheriff?« Das Sheriffs Office war vier Straßen weiter, im Keller unter dem Gefängnis.
    Grantham antwortete. »Wir dachten uns, Sie möchten die Vernehmungsräume dort lieber nicht wiedersehen. Angesichts Ihrer früheren Erfahrungen da.«
    Er meinte den Mordfall. Sie hatten mich vier Stunden später abgeholt, nachdem mein Vater Gray Wilsons Leiche gefunden hatte; die Füße hatten im Wasser gelegen, und die Schuhe hatten gegen eine glitschige schwarze Wurzel geschlagen. Ich hatte nie erfahren, ob mein Vater dabei war, als Janice zur Polizei ging. Ich hatte nie Gelegenheit gehabt, danach zu fragen, und stellte mir lieber vor, dass er genauso überrascht war wie ich, als die Handschellen zum Vorschein kamen. Sie transportierten mich in einem der Streifenwagen des Sheriffs. Risse in den Polstern. Abdrücke von Gesichtern und getrockneter Speichel an der Trennscheibe. Sie brachten mich in einen Raum unter dem Gefängnis und bearbeiteten mich Stunde um Stunde, drei Tage lang. Ich bestritt die Tat, aber sie hörten nicht zu, also hielt ich schließlich den Mund. Ich sagte kein Wort mehr, überhaupt keins, doch ich erinnerte mich immer noch an das Gefühl — an das Gewicht der Stockwerke über mir, lauter Beton und Stahl. Vielleicht tausend Tonnen. Genug, um Feuchtigkeit aus den Wänden zu pressen.
    »Rücksichtsvoll von Ihnen«, sagte ich und wusste nicht, ob es sarkastisch gemeint war. »Es war meine Idee.« Robin hatte mich immer noch nicht angeschaut.
    Sie brachten mich in einen kleinen Raum mit einem Metalltisch und einem verspiegelten Fenster. Das Gebäude mochte ein anderes sein, doch der Raum fühlte sich genauso an: klein, quadratisch und von Sekunde zu Sekunde enger. Ich atmete ein. Die gleiche Luft, warm und feucht. Ich setzte mich auf den Stuhl, den Grantham mir zuwies. Sein Gesichtsausdruck gefiel mir nicht, aber vermutlich sah man gewohnheitsmäßig so aus, wenn man auf der Polizistenseite eines angeschraubten Tisches vor der verspiegelten Seite eines Fensters saß. Robin nahm neben ihm Platz und legte die Hände fest verschränkt auf die graue Stahlplatte.
    »Der Reihe nach, Mr. Chase: Sie sind nicht verhaftet und nicht vorläufig festgenommen. Dies ist eine Vorvernehmung.«
    »Ich kann einen Anwalt anrufen?«
    »Wenn Sie glauben, Sie brauchen einen Anwalt, werde ich Ihnen selbstverständlich erlauben, einen anzurufen.« Regungslos wartete er ab. »Möchten Sie gern einen Anwalt anrufen?«
    Ich sah Robin an. Detective Alexander. Das helle Licht schien auf ihr Haar und die harten Konturen ihres Gesichts. »Bringen wir diese Farce einfach hinter uns«, schlug ich vor.
    »Gut.« Grantham schaltete einen Rekorder ein und nannte Datum, Uhrzeit und die Namen der Anwesenden. Dann lehnte er sich zurück und sagte nichts weiter. Das Schweigen zog sich in die Länge.
    Schließlich kippte er wieder nach vorn. »Das erste Mal haben wir im Krankenhaus miteinander gesprochen, in der Nacht, als Grace Shepherd überfallen wurde. Ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Sie hatten Ms. Shepherd am betreffenden Tag schon einmal gesehen?«
    »Ja.«
    »Auf dem Steg?«
    »Richtig.«
    »Sie haben sie geküsst?«
    »Sie hat mich geküsst.«
    »Und dann ist sie in südlicher Richtung auf dem Pfad weggelaufen?«
    Ich wusste, was er tat: Er gab das Muster meiner Kooperation vor. Gewöhnte mich daran. An die Wiederholungen. Das Tempo. Die Zustimmung zu bereits ermittelten Sachverhalten. Zu harmlosen Sachverhalten. Zwei Jungs, die sich unterhielten, nichts weiter.
    »Können wir zur Sache kommen?«, fragte ich.
    Er presste die Lippen zusammen, als ich ihn aus dem Takt brachte.

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