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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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beobachtet habe. Nur einmal, okay? Und Scheiße — das ist doch kein Verbrechen. Sie sieht scharf aus. Ich hab nur geguckt.« Er zuckte zusammen, als sei ihm gerade etwas eingefallen. »Weiß die Polizei davon?«
    »Keine Ahnung. Aber sie werden sicher mit Grace reden. Soweit ich es übersehen kann, hat sie keinen Grund, dir einen Gefallen zu tun.«
    »Fuck.«
    »Ja. Ich glaube, davon hast du schon gesprochen.«
    »Halt an«, sagte Jamie.
    »Was?«
    »Verdammt, du sollst anhalten.«
    Ich bremste ab, fuhr auf den weichen Boden am Straßenrand und drückte den Schalthebel in Parkstellung. Jamie richtete sich auf und drehte sich zu mir um. »Müssen wir aussteigen?«
    »Was?«
    »Müssen wir aussteigen und uns 'ne Runde schlagen? Ich hab den Eindruck, dass es vielleicht nötig ist.«
    Ich schaute ihn gleichmütig an. »Du bist betrunken.«
    »Ich hab fünf Jahre lang zu dir gestanden. Die Leute ziehen über dich her, sie sagen, du bist ein verdammter Mörder, und ich sag ihnen, sie sollen die Schnauze halten. Ich war immer auf deiner Seite. So ist das unter Brüdern. Aber deine Nummer mit der Seelenruhe kann ich nicht gebrauchen. Ich kauf sie dir nicht ab. Du redest hier um den heißen Brei, seit du in diesen Truck gestiegen bist. Sag's doch einfach. Was immer du sagen willst. Du glaubst, ich hatte was mit der Sache mit Grace zu tun? Ja? Oder mit Danny? Du willst zurückkommen, als ob nichts gewesen wäre, als hätte sich nichts geändert? Du willst die Farm wieder leiten? Ist es das? Dann sag es einfach.«
    Er war in der Defensive, und ich wusste, warum. Das Glücksspiel war nichts Neues — das hatte es schon früher gegeben —, und meine Fragen nach Danny hatten ihn verstört. Manchmal fand ich es scheußlich, recht zu haben.
    »Wie viel hast du verloren?« Es war eine Vermutung, aber eine naheliegende. Er erstarrte, und ich wusste Bescheid. »Dad musste wieder für dich einspringen, ja? Wie viel diesmal?«
    Er sackte zusammen, und plötzlich sah er verängstigt und jung aus. Er war in seinem letzten Highschool-Jahr einmal in die Klemme geraten. Da hatte er sich mit einem Buchmacher in Charlotte eingelassen und war in einer Playoff-Runde der National Football League baden gegangen. Der Motor tickte, als er sich abkühlte. »Etwas mehr als dreißigtausend«, sagte er.
    »Etwas mehr?«
    »Okay. Fünfzigtausend.«
    »Mein Gott, Jamie.«
    Er rutschte noch tiefer, und seine ganze Feindseligkeit war dahin.
    »Wieder beim Football?«
    »Ich dachte, die Panthers bringen's. Hab immer wieder verdoppelt. Das sollte nicht so laufen.«
    »Und Dad hat für dich gezahlt.«
    »Das ist drei Jahre her, Adam.« Er hob die Hand. »Seitdem hab ich nicht mehr gewettet.«
    »Aber Danny?«
    Jamie nickte.
    »Willst du dich immer noch prügeln?«, fragte ich.
    »Nein.«
    »Dann geh mir nicht auf die Nüsse, Jamie. Du bist nicht der Einzige, der eine miese Nacht hinter sich hat.«
    Ich startete den Motor und fuhr auf die Straße zurück. »Ich will den Namen seines Buchmachers«, sagte ich.
    Jamies Stimme klang zaghaft. »Es gibt mehr als einen.«
    »Ich will sie alle.«
    »Ich such sie raus. Hab sie irgendwo aufgeschrieben.«
    Wir fuhren eine Meile weit, ohne zu reden. Dann tauchte ein Supermarkt vor uns auf. »Kannst du da anhalten?«, fragte Jamie. Ich tat es. »Dauert nur einen Augenblick«, sagte er und ging in den Laden.
    Er kam mit einem Sixpack wieder heraus.

SECHZEHN
    I ch fuhr zur Farm und nahm den Weg zu Dolfs Haus. Dort parkten Autos; Janice saß auf Dolfs Veranda. Ich hielt in der Einfahrt.
    »Was ist los?«, fragte ich. Jamie zuckte nur die Achseln. »Steigst du aus?«
    »So betrunken bin ich nicht«, sagte Jamie.
    Ich stieg aus, und Jamie rutschte ans Steuer. Ich legte die Hände auf die Fensterkante. »Ich habe Danny falsch beurteilt. Jetzt ist er tot. Die Polizei sollte sich diese Buchmacher ansehen. Vielleicht steckt was dahinter.«
    »Die Polizei?«
    »Ich will die Namen.«
    »Ich suche sie raus.« Er winkte seiner Mutter kurz zu und wendete den Truck.
    Ich machte mich auf den langen Marsch.
    Meine Stiefmutter sah mir entgegen. Sie hatte meinen Vater jung geheiratet und war noch immer keine fünfzig. Sie saß allein auf der Veranda und sah verhärmt aus. Abgenommen hatte sie auch. Das früher glänzende Haar war zu einem spröden Gelb verblasst, und ihre Wangenknochen waren adlerhaft scharf geschnitten. Sie erhob sich aus dem Schaukelstuhl, als ich die unterste Verandastufe betrat. Auf halber Höhe blieb ich stehen, aber

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