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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Grace.« Plötzlich glänzten Tränen in den Furchen seines Gesichts. »Sie braucht dich.«
    Er klopfte an die Scheibe, wandte sich ab und senkte den Kopf. Ich rappelte mich auf, suchte nach Worten und fand keine. Die Tür öffnete sich mit einem Schlag. Der Sheriff kam herein, und Deputys füllten den Türrahmen hinter ihm. Ich hob die Hand. »Moment mal«, sagte ich.
    Irgendeine Regung ging durch den Sheriff. Sein Gesicht lief rot an. Grantham erschien hinter ihm, blasser, distanzierter.
    »Das war's«, sagte der Sheriff. »Zeit zu gehen.«
    Ich starrte Dolf an: seinen geraden Rücken, den gebeugten Nacken. Ein plötzlicher, heftiger Hustenanfall, und er wischte sich mitdiesem orangegelben Ärmel über den Mund. Er legte die gespreizte Hand an den Spiegel und hob den Kopf, sodass er mein Spiegelbild sehen konnte. Seine Lippen bewegten sich, aber ich verstand ihn kaum.
    »Geh einfach«, sagte er. »Kommen Sie, Chase.« Der Sheriff streckte die Hand aus, als wollte er mich hinauszerren. Zu viele Fragen, keine Antworten, und Dolfs Bitte schepperte mir im Kopf herum. Ich hörte das Geklapper von Plastik; zwei Deputys rollten eine Videokamera auf einem Stativ herein.
    »Was ist hier los?«, fragte ich.
    Der Sheriff nahm meinen Arm und zog mich zur Tür hinaus. Der Klammergriff lockerte sich, als die Tür dröhnend ins Schloss fiel, und ich schüttelte seine Hand ab. Er ließ mich durch das kleine Fenster zusehen, wie die Deputys die Kamera ausrichteten. Dolf ging zum Tisch, schaute einmal zu mir herüber und setzte sich. Er hob das Gesicht zur Kamera, während der Sheriff den Schlüssel im Schloss drehte und den Riegel vorschob.
    »Was soll das werden?«, fragte ich.
    Der Sheriff wartete, bis ich ihn ansah. »Ein Geständnis«, sagte er. »Nein.«
    »Des Mordes an Danny Faith.« Der Sheriff ließ seine Worte einen Moment lang wirken. »Und ich brauchte nichts weiter zu tun, als ihm zu erlauben, mit Ihnen zu reden.«
    Ich starrte ihn an.
    »Das war seine einzige Bedingung.«
    Jetzt begriff ich. Der Sheriff wusste, wie viel Dolf mir bedeutete, und er wollte, dass ich es sah: die Kamera, den alten Mann davor, die plötzliche Fügsamkeit seiner zusammengesunkenen Gestalt. Parks hatte recht gehabt.
    »Sie mieses Schwein«, sagte ich. Der Sheriff lächelte und trat näher an mich heran. »Willkommen daheim in Rowan County, du dreckiger Mörder.«

ZWANZIG
    W ir verließen das Gefängnis und blieben im Wind stehen, der den Geruch von Regen herantrug. Es blitzte lautlos und heiß und war wieder dunkel, bevor der Donner wie Kanonenfeuer über uns hinwegrollte. Sie wollten alles über Dolf wissen, und ich erzählte ihnen mit gedämpfter Stimme fast alles. Worum er mich gebeten hatte, erwähnte ich nicht; ich konnte Dolf nicht da drinnen verrotten lassen. Eher würde ich mich steinigen lassen. Ich erzählte ihnen, das Letzte, was ich gesehen hätte, sei Dolf vor einer Videokamera gewesen.
    »Das ergibt keinen Sinn«, sagte mein Vater schließlich. »Dolf hat dich auf den Buckel gefahren, Adam. Er hat dir praktisch das Seil gehalten. Du hättest die Leiche ohne ihn niemals gefunden.«
    »Ihr Vater hat recht«, sagte Parks und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Es sei denn, Dolf wollte, dass die Leiche gefunden wird.«
    »Das ist absurd!«, rief mein Vater.
    »Schuld hat manchmal eine merkwürdige Wirkung auf die Menschen, Jacob. Ich habe es schon erlebt. Massenmörder, die sich plötzlich stellen. Vergewaltiger, die das Gericht um Kastration bitten. Leute, die zwanzig Jahre lang unbehelligt herumgelaufen sind und auf einmal gestehen, dass sie vor Jahrzehnten in einem Anfall von Eifersucht ihren Ehepartner umgebracht haben. So etwas kommt vor.«
    Dolfs Stimme klang mir im Ohr, wie er im Krankenhaus zu mir gesagt hatte: Meistens bezahlt der Sünder für seine Sünden.
    »Blödsinn!«, fauchte mein Vater, und der Anwalt zuckte die Acheln.
    Der Wind nahm zu und wurde böig. Ich streckte die Hand aus, als die ersten Regentropfen vom Himmel fielen. Sie waren kalt und hart, und als sie auf die Stufen klatschten, hörte es sich an, als schnippe jemand mit den Fingern. Innerhalb von Sekunden waren es so viele, dass der Asphalt rauschte.
    »Fahren Sie los, Parks«, sagte mein Vater. »Wir unterhalten uns später.«
    »Ich bin im Hotel, wenn Sie mich brauchen.« Parks sprintete zu seinem Wagen. Wir sahen ihm nach, als er wegfuhr. Hinter uns war ein Vordach, und wir traten zurück, um nicht nass zu werden. Das Gewitter war jetzt in vollem

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